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Limbach zweifelt am Bonner Geisteszustand

■ Regierungskriminalität: Justizsenatorin weist Bonner Kritik an mangelnder Strafverfolgung zurück/ Berlin von anderen Ländern im Stich gelassen

Berlin. »Baff erstaunt« war Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD), als sie gestern morgen die Zeitungen aufschlug. Soviel Unwahrheiten auf einmal, so bekannte sie am Nachmittag vor der Presse, habe sie noch nie gesehen. Was die Senatorin so erregte, waren die Berichte über die Bonner Koalitionsrunde vom Dienstag. Dort war, so konnte sie lesen, »gehöriger Unmut« über sie geäußert worden. Sie habe wiederholt das Angebot des Bundes zur Unterstützung der Ermittlungen gegen die DDR- Regierungskriminalität zurückgewiesen. Der Bund habe deshalb keine Lust, die politische Verantwortung für den schleppenden Gang der Verfahren zu übernehmen. Es sei der Punkt erreicht, wo die politische Debatte über dieses Thema härter geführt werden müsse.

Frau Limbach fragte sich nach der Lektüre, »in welch geistigem Zustand« die Bundesregierung sei, wenn sie solche Erklärungen abgebe. Die Behauptung sei absurd, daß sie auf Staatsanwälte aus den alten Bundesländern verzichtet habe. Man habe erst nach langem Bitten in den letzten zwei Monaten die zwischen den Justizministern der Länder vereinbarte Sollstärke von 60 Staatsanwälten erreicht, noch im Sommer letzten Jahres seien es lediglich zwölf gewesen.

Nach Limbachs Ansicht fehle es jetzt vor allem am kriminalpolizeilichen Unterbau für die 600 bis 700 Ermittlungsverfahren, die bei der Staatsanwaltschaft anhängig sind. Die »Zentrale Ermittlungsstelle gegen die Regierungs- und vereinigungsbedingte Kriminalität« (ZERV) verfügt nach Angaben ihres Leiters, Manfred Kittlaus, über 130 Beamte aus Berlin und 54 aus den alten Bundesländern. Insgesamt wird mit 210 Beamten gerechnet, die nach Berlin kommen. Den Bedarf an kriminalpolizeilichem Unterbau für die Staatsanwaltschaft schätzte Kittlaus jedoch auf insgesamt 500 Beamte. Zur Zeit sei die Besetzung so dünn, daß man staatsanwaltliche Ermittlungsaufträge zurückgeben müsse. Die von Bundesinnenminister Seiters angebotene Bearbeitung einiger abgrenzbarer Großverfahren durch das BKA sei aufgrund der engen Verflechtung der zu ermittelnden Tatbestände nicht praktikabel. Kittlaus forderte auch eine bessere sachliche Ausstattung seiner Behörde. Bislang seien dreißig Beamte in einem Raum untergebracht. Allerdings werde nun das Außenministerium der ehemaligen DDR von der ZERV genutzt werden können.

Kittlaus geht davon aus, daß aufgrund der schlechten Ausstattung bereits jetzt irreparable Schäden entstehen. Es würden sowohl Mängel in der Beweisführung auftreten als auch Vermögenswerte unwiederbringlich verlorengehen.

Die Kritik aus Bonn hatte sich an der vermeintlich schleppenden Ausarbeitung der Anklage gegen Erich Honecker entzündet. Die Justizsenatorin sah deshalb die zuständige Staatsanwaltschaft einem zunehmenden politischen Druck ausgesetzt. Sie stellte klar, daß die Staatsanwaltschaft und nicht die Politik entscheide, ob eine Sache ausermittelt sei. Dies sei »der Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einer totalitären Diktatur«. Dieter Rulff

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