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Andreotti-Intimus in Sizilien ermordet

Rom (afp/dpa/taz) — Knapp vier Wochen vor den Parlamentswahlen ist gestern morgen einer der prominentesten Politiker der italienischen Christdemokraten ermordet worden. Salvatore Lima, Europaabgeordneter und früherer Bürgermeister von Palermo, wurde von einem Killerkommando in der Nähe seiner Villa in dem sizilianischen Badeort Mondello erschossen. Die Täter feuerten von einem Motorrad aus mehrere Schüsse auf das Auto des Politikers ab. Lima suchte zunächst Deckung außerhalb des Wagen, wurde aber weiter beschossen und brach nach Augenzeugenberichten wenig später tot zusammen. Die Mörder konnten entkommen.

Sieben Jahre lang war Lima Bürgermeister von Palermo gewesen, bevor er 1979 für die Christdemokraten (DC) ins Europaparlament ging. Unter seiner Ägide hatte in der sizilianischen Stadt die Bauspekulation neue Blüten getrieben. Immer wieder war sein Name im Zusammenhang mit Mafia-Geschäften gebracht worden. Doch seine Verstrickungen mit dem organisierten Verbrechen konnten nie nachgewiesen werden.

Der 62jährige Lima war ein enger Freund von Ministerpräsident Giulio Andreotti. Er galt als dessen rechte Hand in Sizilien, wo er wesentlich am Sturz des populären Anti-Mafia- Bürgermeisters Leoluca Orlando beteiligt war. Die Aussichten Andreottis auf das von ihm angestrebte Amt des Staatspräsidenten dürften mit Limas Ermordung schwinden.

„Keiner ist mehr sicher, nicht einmal die Mächtigsten“, kommentierte der Chef der italienischen Kommunisten, Achille Occhetto, gestern das Verbrechen. Einhellig drückten Italiens Spitzenpolitiker ihre Abscheu aus. Der Chef der Neofaschisten, Gianfranco Fini, vermutete, Lima sei Opfer einer „Abrechnung unter alten und neuen Clans“ geworden. Der Parteichef der Christdemokraten, Arnaldo Forlani, nannte die Ermordung „die Fortsetzung einer Kette von terroristischen Verbrechen“. Staatspräsident Francesco Cossiga verurteilte das „Gesetz von Blut und Gewalt“, das in Teilen Italiens herrsche. In Straßburg unterbrach der Präsident des Europaparlaments, Egon Klepsch, gestern mittag die Sitzung und verlas die Nachricht von der Ermordung Limas. In Rom berichtete Italiens Innenminister Vincenzo Scotti dem Abgeordnetenhaus von dem Verbrechen.

Der Mord an Lima ist der zweite politische Mord in Italien binnen weniger Tage. Bereits am Mittwoch war der linke Kommunalpolitiker Sebastiano Corrado bei Neapel erschossen worden. Corrado, ein ausgewiesener Mafia-Gegner, war möglicherweise Veruntreuungen in Milliardenhöhe beim örtlichen Gesundheitsdienst auf der Spur. Das Attentat auf Lima ist das aufsehenerregendste politische Attentat auf Sizilien, seit dort vor zehn Jahren der Präfekt von Palermo, Dalla Chiesa, ermordet wurde. dora

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