Die glorreichen Sieben

■ Das neueste Produkt der TUI heißt Umweltmanagement. Der Tourismusriese präsentiert seinen Umwelt-Strategie-Ausschuß: Schlechte Karten, gut geblufft

Das neueste Produkt der TUI heißt Umweltmanagement.

Der Tourismusriese präsentiert seinen Umwelt-Strategie-Ausschuß:

Schlechte Karten, gut geblufft.

VONCHRISTELBURGHOFF

Die TUI auf dem Durchmarsch mit den Glorreichen Sieben: schlechte Karten, gut geblufft. Auch ohne ihren siebten Mann, der wegen Krankheit ausfiel, landete der „TUI-Umwelt-Strategie-Ausschuß“ (U7) auf der diesjährigen ITB einen meisterlichen Coup. Angeführt vom TUI- Umwelt-Model Dr. Iwand („einer unserer wichtigsten Mitarbeiter für jeden Dreck“, wie er sich für großformatige Hochglanzanzeigen mit souveränem Understatement ablichten läßt), präsentierte der Tourismusriese TUI sein neuestes Marktprodukt: kein Öko-Urlaub und auch kein sanftes Animationsmodell — das neueste Produkt der TUI heißt Umweltengagement.

Warum sollte man das Umweltthema nicht wie ein Waschmittel verkaufen? Alles ist machbar. Für ein Unternehmen, das es gewohnt ist, die Welt vom Produkt aus zu definieren, ist so etwas normal. In den USA werden auf diese Weise Präsidenten gemacht; im biederen Deutschland die Umwelt aber anders denn als Biotop auf den Markt zu werfen besticht noch durch Neuartigkeit. Die Glorreichen Sieben zeigten, wie es geht. „TUI ist nicht Greenpeace, aber wir packen es an!“ sagte Iwand markig.

Aber was packt die TUI an? Im effektvoll abgedunkelten Saal des ICC präsentierten die U7 der staunenden Zuhörerschaft ein bombastisches Strategieprogramm. Man erfuhr, daß die TUI ein internes Organisationsgefüge nach dem Modell „Netze und Tun“ aufgebaut hat. Die Grundidee dafür sei — wie Dr.Iwand erläuterte — ganz einfach. Sie geht zurück auf seine Kindheitserfahrungen auf der heimatlichen Nordseeinsel, als er den Fischern und ihrer Netzknüpftechnik zuschaute. Das Wichtigste am Netz sind die Knoten, betonte er. Übertragen auf den TUI- Konzern, ist daraus das „TUI-Umwelt-Netzwerk (TUN)“ entstanden, ein Modell, das sich an den entscheidenden Schnittstellen durch umweltbewußt denkende und handelnde Manager auszeichnet. Aber damit nicht genug: Ob Vorstandsmitglied oder Außendienstler, ob im Innendienst oder draußen „an der Front“ — die TUI-Mitarbeiter sind sensibilisiert und angewiesen, auf allen Ebenen und in allen Bereichen Überzeugungsarbeit in Sachen Umwelt zu leisten und sich selbst für Müllsammelaktionen nicht zu schade zu sein. In etwa 15 Jahren will man die Umweltprobleme damit im Griff haben. Mittelfristig geht es der TUI um ein umweltverträgliches Wirtschaften. „Wir werden in ein paar Jahren ökologisch besser, aber nicht grün sein“, bemerkte dazu Vorstandsmitglied Windfuhr. Langfristig jedoch wird das perfekte Umwelt-Controlling angestrebt. Die TUI-Manager sind nach eigenem Bekunden aufgebrochen, unser aller Urlaubs-Umwelt zu managen.

Die Botschaft ist alles, lautet der Grundsatz der Informationstheorie. Wenn dem so ist, dann erübrigt sich die Frage nach den konkreten Umweltschutzmaßnahmen der TUI. Wer wie Heinz Hahn, der ehemalige Leiter des Studienkreises für Tourismus, im Publikum die konkret benannten Maßnahmen der TUI im Umweltschutzbereich mitzählte, mußte sich mit einer mageren Ausbeute zufriedengeben. Heinz Hahn zählte genau elf konkrete Maßnahmen. Fragt man darüber hinaus nach ihrer umweltpolitischen Tragweite, so kann ihr Effekt lediglich mit dem eines netzeknüpfenden Fischers verglichen werden. Ein konkretes Ergebnis ist beispielsweise, daß Reiseleiter keine Karten für Stierkämpfe in Spanien mehr anbieten. Etwas gewichtiger und in Tonnen Müll abzuwiegen ist immerhin das Bemühen der TUI, den Plastikabfall im Flugverkehr zu reduzieren. Unter Umweltschutzmaßnahmen subsumiert die TUI jedoch auch rein sicherheitstechnische Entscheidungen wie den Einsatz moderner Flugzeuge statt abgehalfterter Schrottmaschinen und verkauft auf diese Weise als konkreten Umweltschutz, was im Flugreiseverkehr rein beförderungstechnisch geboten ist.

Was ist Umweltschutz und was ist es nicht? Das Thema ist dankbar, und die Antworten sind beliebig, wenn Verursacher wie die Tourismusindustrie die Definition der Umweltprobleme selbst in die Hand nehmen. Ungeniert behauptete Direktor Kopp, daß die durch den Tourismus verursachten Schäden reversibel und damit beherrschbar seien. Angesichts der Gigomantie der touristischen Industrie läßt dieses Statement nur vermuten, daß die TUI-Manager nur solche Umweltthemen sehen wollen, die ihrer Umweltstrategie publikumswirksame Erfolge versprechen. Die weltweiten Vorgänge von verbauten Küsten, von den Zerstörungen einheimischer Sozialstruktur, von den extremen Belastungen durch die Verkehrsströme und -systeme rechnen sie verantwortlich anderen an.

Die Ignoranz gegenüber dem Ausmaß der verursachten Probleme ist firmenstrategisch plausibel. Die U7-Phalanx erklärte unumwunden, daß ihr Umweltengagement auf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern hinauslaufen soll — oder, wie Dr.Iwand es ausdrückte: „Meine Aktivität als Umweltbeauftragter der TUI muß sich monetarisieren“.

Langfristig gesehen, wird sich die Doppelstrategie der TUI auszahlen. Zum einen werden die permanenten Erfolgsmeldungen aus den Chefetagen die Urlauber befrieden; zum anderen veschafft sich die Industrie damit Luft gegenüber den befürchteten Auflagen des Gesetzgebers. „Agieren ist besser als reagieren“, sagten auch die Glorreichen Sieben und wollen die Dinge nach Belieben selbst in die Hand nehmen. Wo die Umweltprobleme übermächtig werden, sind mittlerweile selbst gestandene Grüne bereit, die Ideen der Industrie dankbar als ernste Lösungsschritte zu beklatschen — seien es die Vorschläge der Automobilindustrie für „intelligente Verkehrssysteme“ oder die eines Tourismuskonzerns mit einer schlag- und zugkräftigen Marketinggruppe.

„Die Erde, das Wasser, die Luft — alles ist schon weitgehend ausgefallen. Aber was passiert, wenn die Leute bald Angst vor der Sonne kriegen?“ Diese Frage aus dem Publikum irritierte die U7 dann doch etwas. Allein Heinz Hahn wußte spontan Rat und empfahl den Managern die Lektüre des Science-fiction-Romans Künstliche Sonnen. Das Buch enthält seiner Meinung nach eine brillante Marketingstrategie für die Zeit danach. Auch ohne Sonne. Man wird das Kind schon schaukeln. Der glanzvollen Inszenierung des „TUI- Umwelt-Strategie-Ausschusses“ (U7) tat die Irritation durch das Ozonloch keinen Abbruch. Sie war ein Höhepunkt der sonst so drögen Fachveranstaltungsreihen. Und alle waren da. Wir beglückwünschen die TUI zu ihrer wendigen Marketingabteilung!