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Restaurants mit telefonfreien Zonen

Im Zeitalter des Mobilfunks wird es Regeln geben müssen, wann und wo ein schnurloses Telefon klingeln darf/ Für die neuen Funknetze fehlen aber ausreichende Endgeräte/ Benutzung kompliziert  ■ Aus Hannover Frank Holzkamp

Das Geräusch der Zukunft wird das permanente Klingeln des Telefons sein. „In fünf Jahren wird es in Restaurants Nichttelefonier- statt Nichtraucherzonen geben. Wir werden genaue Regeln brauchen, wann und wo ein Mobiltelefon summen, piepen oder klingeln darf“, spitzte Ursula Neugebauer vom Infratest- Institut den Boom beim schnurlosen Telefonieren zu, auf den die Industrie setzt.

Mobilkommunikation zwischen Nischenmarkt und Massendienst war der Titel eines Diskussionsforums auf der Computermesse CeBIT, bei dem sich in Hannover die Industrievertreter einig waren: Nach dem Erfolg des ersten analogen C-Netz-Telefonsystems mit seinen 600.000 Anschlüssen werden die beiden digitalen Netze D1 und D2 den endgültigen Durchbruch des mobilen Telefonierens bringen.

Marktforscherin Neugebauer sah ein gewaltiges Potential an zukünftigen Funktelefonkunden voraus: 25 Millionen im privaten, neun Millionen im geschäftlichen Bereich. Akzeptanzprobleme sieht sie nicht. Immer mehr BundesbürgerInnen nutzen High-Tech-Geräte als tägliche Gebrauchsgegenstände; inzwischen stehen mehr professionelle PCs in Privatwohnungen als in Büros, rund 300.000 Faxgeräte fanden den Weg in die guten Stuben.

Obwohl in den alten Bundesländern fast alle Haushalte über einen Telefonapparat verfügen, sei der Wunsch nach ständiger Erreichbarkeit im geschäftlichen Bereich weiter gestiegen, so Neugebauer. Diesen Wunsch zu erfüllen, sind bereits 1991 die Post-Tochterfirma Telekom mit dem D1-Netz und die private Konkurrenz Mannesmann mit dem D2-Netz angetreten. Dennoch herrscht auch heute noch Funkstille. Nach langem Gerangel um die Preise für die D2-Leitungen, die Mannesmann sich beim Netzmonopolisten Telekom für die Weiterleitung der Gespräche mieten muß, sind mittlerweile die Gebühren klar. Die Telekom verlangt von ihren KundInnen als monatlichen Basispreis für einen mobilen Anschluß knapp 80 DM plus 1,68 DM pro Minute, Mannesmann liegt mit entsprechenden 77 DM und 1,65 DM etwas günstiger.

Mit einem Problem kämpfen jedoch beide Konkurrenten. Zwar ging der Ausbau der Sende- und Empfangsanlagen zügig voran, die Ballungsräume sind so gut wie erschlossen, aber es fehlt schlicht an mobilen Telefonapparaten. Auch auf der CeBIT gibt es in diesem Jahr nur Prototypen zu sehen, die technische Abnahme der Geräte — Vorausetzung für die Massenproduktion — ist noch nicht abgeschlossen. Haben sie erst ihr Reifezeugnis, „sind wir binnen sechs Wochen mit einer erheblichen Anzahl von Apparaten am Markt“, sagte Harald Ströber, bei Mannesmann für Marketing zuständig. Kostenpunkt für die billigste Version: knapp 2.500 DM. Bei diesen exklusiven Preisen bleiben auch die D- Netze etwas für die geschäftlichen Nutzer.

Um die Geschäftswelt komplett zu erschließen, müßten die monatlichen Beriebskosten auf im Schnitt 100 DM fallen. Die rein private Nachfrage dürfte sogar erst ab etwa der Hälfte dieses Betrages zu boomen beginnen, schätzte Marktforscherin Neugebauer. Dann soll das mobile Telefon so selbstverständlich beim Einkaufen, Spazierengehen oder beim Besuch von FreundInnen dabeisein, wie heute der Hausschlüssel.

Obwohl D1 und D2 noch nicht ganz aus den Startlöchern sind, hat Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) bereits für März die Ausschreibung für ein weiteres digitales Telefonnetz angekündigt, „E1“. Die US-amerikanische Telefongesellschaft Bell Atlantic hat Interesse angemeldet.

Um den Massenmarkt zu knacken, gab Mannesmanns Marketing- Leiter Stöber die Parole aus: „Wir brauchen einfache Geräte“, die jetzigen C- und D-Netzgeräte seien zu kompliziert zu bedienen. Stöber denkt auch an neue Vertriebswege. „Warum soll man Einfachapparate nicht irgendwann bei Tchibo oder Eduscho kaufen können?“

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