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LIBANONS AUTOHÄNDLER VEFLUCHEN VEREINIGUNG Von Michel Moutot

Libanesische Gebrauchtwagenhändler verfluchen die deutsche Wiedervereinigung: Seit ostdeutsche Kunden gebrauchte Autos westlichen Fabrikats in großen Mengen kaufen, wird die Ware für sie auf dem westdeutschen Markt rar, mit der sie sich zuvor reichlich eindecken konnten. „Die Ostdeutschen bezahlen 25 bis 30 Prozent mehr und kaufen alle Autos auf“, beklagt sich Mahmud Baalbecki auf seinem Verkaufsgelände in Beirut. „Vor der Wiedervereinigung fuhr ich fünfmal im Jahr nach Deutschland und kaufte in fünf Tagen 25 bis 30 Autos. Heute muß man mindestens einen Monat lang für zehn Autos kämpfen und sehr früh aufstehen, um die Kleinanzeigen durchzublättern“, fügt der Autohändler hinzu.

Wegen der Wirtschaftskrise können sich die meisten Libanesen keine neuen Autos leisten. Nach Angaben der Zolldirektion führte Libanon im vergangenen Jahr hunderttausend Gebrauchtwagen ein, von denen die meisten aus Europa und besonders aus Deutschland kamen. Während im Januar noch 11.000 Autos ausländischen Fabrikats importiert wurden, sank diese Zahl im Februar auf 6.300 ab. „Deutschland ist das europäische Land, in dem Gebrauchtwagen am billigsten sind“, erklärt Walid Hasakir, einer anderer Händler, dessen Büro sich in einem Wohnwagen befindet. „Aber der Markt ist ausgetrocknet. Früher hatte mein Zulieferer in Stuttgart ständig drei- oder vierhundert Autos auf Lager. Heute sind es nur noch ein paar Dutzend, ausschließlich große. Und wenn ich versuche zu handeln, sagt er mir, daß die Ostdeutschen sie in jedem Fall kaufen werden.“

Die Autofahrer aus der Ex-DDR sind vor allem an kleinen Autos interessiert, da sie sich BMW und Mercedes, die Aushängeschilder der deutschen Automobilindustrie, oft nicht leisten können. Zur großen Erleichterung des Leiters des Autoverkaufs Asus im christlichen Teil von Beirut, der sich auf „schöne Deutsche“ spezialisiert hat. Die Durchschnittssumme, die ostdeutsche Kunden für einen Gebrauchtwagen auszugeben bereit sein, liege bei 4.000 Mark, behauptet der Autohändler. Das könne sich jedoch schnell ändern. Vor dem Büro des Händlers blitzt ein weißes Mercedes-Coupé mit deutschem Kennzeichen in der Sonne.

In einem Zollager im Hafen von Beirut bezahlt der Autohändler Antoine Nemr gerade die Einfuhrsteuer für einen grauen BMW von 1982 mit eingedrücktem Kühler. „Zuerst haben die Ostdeutschen keine Unfallautos gekauft, da sie keine Werkstätten besaßen, um sie zu reparieren oder auseinanderzubauen“, sagt er. Doch seit kurzem müsse man sich sogar um Autowracks streiten, fügt er hinzu.

Der Zoll-Dollar, der benutzt wird, um den Wert der Gebrauchtwagen in die libanesische Währung umzuwandeln und dadurch die Zollgebühren zu errechnen, erhöhte sich im Oktober von 300 auf 800 libanesische Pfund. Der Preis für den Schiffstransport eines Autos von Hamburg nach Libanon habe sich vor kurzem von 240 auf 750 Dollar erhöht, erzählt Antoine Nemr.

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