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■ EINE SPRACHWISSENSCHAFTLICHE BETRACHTUNG DER NEW YORKER MAFIAKillen als vielschichtige Tätigkeit

Killen als vielschichtige Tätigkeit

In New York sitzt zur Zeit der Mafia- Boß und Mitglied der Gambino-Familie, John Gotti, wegen mehrfachen Mordes und Erpressung auf der Anklagebank des Bundesgerichts von Brooklyn; seine ehemalige rechte Hand, Salvatore Gravano, in einschlägigen Kreisen „Sammy Bull“ genannt, ist der Starzeuge der Anklage und packt gegen seinen Boß aus. Ermittlungsbehörden und Richter sehen sich nicht nur mit einer überdurchschnittlichen kriminellen Energie konfrontiert, sondern auch mit einem ganz neuen Vokabular. Die Umgangssprache in einer nicht ganz so typisch amerikanischen Familie versuchte nun die 'Washington Post‘ ihren LeserInnen zu vermitteln. Ähnlich den Eskimos, die gleich mehrere Synonyme für das Wort „Schnee“ haben, schreibt die Autorin in ihrer Einführung, habe der Gambino-Clan eine erstaunliche Vokabel-Vielfalt für ein und dieselbe Tätigkeit entwickelt: Killen.

Um den Lesern den Sprachgebrauch der Mafia-Familie möglichst lebendig vor Augen zu führen, wurde das folgende Glossar mit Zitaten angereichert. Sie entstammen entweder dem staatsanwaltlichen Verhör von „Sammy Bull“ aus der letzten Woche oder aus den vom FBI abgehörten Gesprächen des Beklagten und seiner Verwandtschaft.

To whack (vermöbeln): Exekutieren. In der Regel benutzt, wenn es einen engen Freund, Schwager oder Geschäftspartner betrifft, der lästigerweise in einem lukrativen Geschäft mehr als fünfzig Prozent hält.

To hit (treffen; schlagen): Bei den Gambinos dieselbe Bedeutung wie „to whack“.

To pop (knallen; aufplatzen; schießen): Wird im Sprachgebrauch des US-Durchschnittsbürgers in Zusammenhang mit Sektkorken oder Feuerwerk benutzt; bei den Gambinos: siehe „to whack“ und „to hit“.

To do a piece of work (ein Stück Arbeit erledigen): Auch hier handelt es sich bei den Gambinos natürlich nicht um irgendeine Arbeit, sondern um „whacking“, „hitting“ oder „popping“. In diesem Fall schließt der Vorgang allerdings oft einen kleinen Akt der Wiedergutmachung mit ein: zum Beispiel zur Beerdigung des Opfers zu gehen, der Witwe zu kondolieren und ihr dabei 500 Dollar in die Hand zu drücken.

Going (Gerundium von to go: gehen): Fast schon tot. Ein Zustand, in dem der Betreffende entweder lebensgefährlich überflüssig geworden oder bereits auf dem Weg nach Florida ist, um dort unter dem Schutz des Bundesprogramms für Kronzeugen ein neues Leben anzufangen.

Problem (Problem): Im Deutschen wie im Englischen ein dehnbarer Begriff, wie folgender Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll von „Sammy Bull“ Gravano über eines der zahlreichen Opfer zeigt:

Gravano: Irgendwann fing er an, Drogen zu nehmen und wurde ein Problem.

Staatsanwalt: Haben Sie etwas unternommen, nachdem sie das Problem erkannt hatten?

Gravano: Ja, wir haben ihn umgebracht.

To come in (eintreten; hereinkommen): Auf gambinisch: nach Aufforderung beim Boß erscheinen. Im allgemeinen ein ratsames Verhalten, es sei denn, man ist in parkenden Autos herumgesessen und hat sich mit Polizisten unterhalten. Zur Verdeutlichung ein zweites Beispiel aus Gravanos Aussage über ein weiteres Opfer:

Gravano: Es gab Klagen über ihn, weil er nicht beim Boß antrat.

Staatsanwalt: Was haben Sie unternommen?

Gravano: Wir haben ihn umgebracht.

Cosa Nostra: Heißt nicht, wie Woody Allen immer behauptet, „Unsere Zahnpasta“. Kommt außerdem aus dem italienischen, heißt „unsere Sache“ und beschreibt eine Gangsterfamilie. Beispiel: „Das bleibt eine Cosa Nostra, bis ich sterbe — egal ob in einer Stunde oder in hundert Jahren, wenn ich im Knast sitze.“ (John Gotti im Beisein einer FBI-Wanze).

Omerta: Heiliger Eid, nie die Geheimnisse der Cosa Nostra zu verraten. Ihn muß schwören, wer ein „goodfella“, „soldier“ oder „Freund“ der Familie werden will.

Rat (Ratte): Die Gambinos meinen damit die niedrigste Daseinsstufe des Menschen: den Informanten. Umgangsform: siehe to whack, to hit, to pop.

Babania: Heroin, mit dem gehandelt wird. Lukrative, aber risikoreiche Einkommensquelle für Familienmitglieder. Denn wer erwischt wird, neigt angesichts exorbitant hoher Gefängnisstrafen dazu, mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren — und damit die Omerta zu brechen. Die mögliche Folge: getting whacked, hit oder popped.

Gift (Geschenk): Eigentlich was Schönes. Das wissen auch die Gambinos und beschenkten in zwei vorhergehenden Strafprozessen die Geschworenen mit Geldbeträgen. Die sahen sich daraufhin außerstande, einen Schuldspruch zu fällen.

Aus dem Gambinischen ins Englische übersetzte Laurie Goodstein von der 'Washington Post‘, aus dem Englischen ins Deutsche: Andrea Böhm.

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