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BASSIST VERKLAGT KRIMIAUTOR

Gegen die Freiheit der Kunst

Münster (taz) — Um seine Ehre und gegen die Freiheit der Kunst kämpft Karl-Georg Stephan, besser bekannt als Steffi Stephan, heute vor dem Landgericht in Münster. Der Ex- Bassist von Udo Lindenberg und Peter Maffay sowie mehrfache Diskotheken- und Kneipenbesitzer glaubt in einem Buch des münsterschen Autors Jürgen Kehrer ein äußerst unsympathisches Zerrbild seiner selbst entdeckt zu haben. Carlo Ponti, Schlagzeuger und „Diskothekenmogul“, übernimmt in dem Lokalkrimi In alter Freundschaft die Rolle des Megaschurken, der mit Kinderpornos handelt, auf Polizisten schießt und Geiseln nimmt. Stephan, inzwischen mit Sprüchen wie „Was macht das Geschäft mit den Kinderpornos?“ konfrontiert, will das Buch verbieten lassen.

Der Krimi spielt im westfälischen Lokalkolorit, und viele Orte der Handlung sind trotz veränderter Namen wiederzuerkennen. Ins Auge springende Parallelen gibt es auch zwischen Carlo Pontis Diskothek „Das Bad“ und Stefans „Jovel“. Das fiktive „Bad“ soll in einem ehemaligen Schwimmbad errichtet worden sein, Stephans „Jovel“ wurde — offenbar in einem innenarchitektonischen Amoklauf — innen verkachelt, weshalb nicht wenige Münsteraner die ungemütliche „Schwimmbaddisko“ meiden.

Kehrer streitet Parallelen zwischen Ponti und Stephan ab: „Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten und lebenden Personen entspringen dem reinen Zufall.“

Um das Gegenteil zu beweisen, bemühte der beleidigte Bassist sogar Münsters Oberbürgermeister Jörg Twenhöven (CDU). Dieser habe ihm in einem Telefongespräch mitgeteilt, „daß seine Frau ein Buch über ihn gelesen habe, und ob er wisse, was da über ihn verbreitet werde. Er müsse unbedingt dagegen etwas unternehmen“, hieß es in der ursprünglichen Fassung der Klageschrift. Nachdem Kehrer beim Oberbürgermeister nachgefragt hatte, wie dieser zu einer solchen Empfehlung käme, erfolgte eine „Richtigstellung“ des Klägers. Dort heißt es: „Man könnte unsere Ausführungen dahingehend verstehen, daß Herr Dr. Twenhöven dem Kläger empfohlen habe, etwas gegen das Buch zu unternehmen. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Es war lediglich so, daß Herr Dr. Twenhöven den Kläger darüber informierte, daß Frau Twenhöven das strittige Buch gelesen habe und über den Inhalt entrüstet sei.“

Mindestens ebenso wie Carlo Pontis kriminelle Energie scheinen Stephan die mangelnden musikalischen Qualitäten seines möglichen literarischen Pendants zu stören. Ponti, so heißt es im Krimi, habe „als Schlagzeuger in den Bands von mehreren mittleren Rock-Größen“ mitgespielt, später haber er „auch vor seichten Schlageraffen“ nicht haltgemacht. „Seine künstlerische Leistung“ sei „vor allem unter Musikkritikern umstritten“ geblieben. Stephan dagegen, so sein Anwalt in der Klageschrift, gehörte als Bassist „dem überaus erfolgreichen Panik- Orchester des Udo Lindenberg an. Gleichzeitig war er als Bassist in der Peter-Maffay-Band tätig. Er hatte unzählige Fernsehauftritte und errang mit den beiden Bands mindestens 30 goldene Schallplatten. Von der Zeitschrift 'Pop-Rocky‘ wurde er als bester Bassist Deutschlands bewertet.“ Auch Kehrer fährt große Geschütze auf und sieht sich in einer Reihe mit Klaus Mann. Dessen Schlüsselroman Mephisto über Gustav Gründgens war lange Zeit verboten. Thomas Dreger

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