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Somalia kommt dem Frieden nicht näher

■ Kämpfe in allen Landesteilen/ UNO-Vermittlungsversuche treten auf der Stelle/ Plant Ex-Diktator Siad Barre ein Comeback?

Nairobi (taz) — „So bald wie möglich“ wollen die Vereinten Nationen ein aus zwanzig Militärs und Zivilisten bestehendes Beobachtungsteam in die somalische Hauptstadt Mogadischu entsenden. Die bereits seit einiger Zeit angekündigte UNO-Mission soll Generalsekretär Butros Ghali über die Lage informieren, so daß dieser dem UNO-Sicherheitsrat sinnvolle Vorschläge für ein weiteres Vorgehen unterbreiten kann. Zur Zeit werden aus Mogadischu Plünderungen und Schußwechsel, aber keine größeren Gefechte gemeldet. Gegenwärtig beschränkt sich die Aktivität der UNO auf Luftfrachtlieferungen von Medikamenten und spezieller Nahrung für besonders bedürftige Gruppen wie Kleinkinder. Es ist bisher nicht gelungen, den Hunger in Mogadischu durch Schiffslieferungen von Lebensmitteln zu lindern. Entsprechende Versuche scheiterten an bewaffneten Angriffen, die dem Vernehmen nach nicht von einer der größeren bewaffneten politischen Gruppierungen verübt sein sollen, sondern von einheimischen Geschäftsleuten, die einen Preissturz für ihre eigenen Produkte befürchten.

Gleichzeitig spitzt sich die Lage in Somalias südlicher Hafenstadt Kisimaju zu. Der seit Wochen erwartete Angriff des General Omar Jees, ein Verbündeter des in Mogadischu kämpfenden Generals Haydeed, scheint unmittelbar bevorzustehen. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll es am Wochenende bereits in Yontoi, nur 20 Kilometer von Kisimaju entfernt, zu schweren Gefechten gekommen sein. Derzeit operieren in Kisimaju verschiedene Gruppierungen, darunter der Schwiegersohn des ehemaligen Diktators Siad Barre, General Morgan.

Der gestürzte Präsident selbst soll anderen Gerüchten zufolge einen Angriff auf Mogadischu planen und mit seinen Anhängern etwa 150 Kilometer von der Hauptstadt entfernt stehen.

Krieg auch im Norden des Landes

Hargeisa (ips/taz) — Auch im Norden Somalias, der sich vor zehn Monaten unter Führung der Guerillabewegung „Somalische Nationalbewegung“ (SNM) als „Republik Somaliland“ vom Rest des Landes unabhängig erklärte, droht nun ein offener Bürgerkrieg. Seit zwei Wochen kommt es an der Straße von der wichtigen Hafenstadt Berbera am Golf von Aden zur 180 Kilometer landeinwärts liegenden Hauptstadt Hargeisa zu Auseinandersetzungen zwischen der Armee des Interimspräsidenten Abdelrahman Tur und Oppositionellen unter Führung des Generals Abdulahi Degaweyneh. Degaweyneh gehört wie Tur der SNM an.

Ursprung des Konfliktes ist ein Streit um Steuerzahlungen. Nach der Unabhängigkeitserklärung im Mai 1991 gelang es der SNM-Regierung nicht, im ganzen Land Steuern einzutreiben — nur die Stadt Berbera zahlte. Doch die Gelder aus der Hafenstadt, so die in Berbera wirkende Opposition, verschwanden in einem „schwarzen Loch der Korruption“. Daher wurden die Zahlungen eingestellt. Nachdem es im Januar in der Stadt Burco zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Mitgliedern von Klans aus der Berbera-Gegend kam, die 100 Menschen das Leben kosteten, inhaftierte die Regierung den damaligen Verteidigungsminister und stoppte seine Politik des Aufbaus einer nationalen Armee unter Einbeziehung aller nordsomalischen Klans. Statt dessen wurde Berbera kurzerhand besetzt, um die Stadt zur Wiederaufnahme ihrer Steuerzahlungen zu zwingen. Ende Januar wurden die Regierungstruppen wieder aus der Stadt vertrieben. Die Opposition in Berbera rekrutiert sich vor allem aus abtrünnigen Militärkommandanten und Zivilpolitikern der SNM. Sie wirft der Regierung außer Korruption und „diktatorischem Verhalten“ auch vor, die Unabhängigkeit Somalilands nicht strikt genug zu verfolgen und eine Wiedervereinigung mit dem Rest Somalias anzustreben. Krieg oder einen Staatsstreich will Oppositionsführer Degaweyneh nach eigenen Aussagen nicht. Er trete für die Einberufung einer Nationalkonferenz ein.

Die Regierung Somalilands gibt sich demgegenüber hart. Vizepräsident und Verteidigungsminister Hassan Issa über die Rebellen: „Entweder sie legen ihre Waffen nieder und geben auf, oder sie werden überrannt.“ Man habe alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Die „Republik Somaliland“ nimmt dasselbe Territorium ein wie die frühere Kolonie Britisch-Somaliland, die 1960 mit Italienisch-Somaliland zum unabhängigen Somalia vereinigt wurde. Der somalische Diktator Siad Barre, der aus dem Süden Somalias stammt, führte bis zu seinem Sturz im Januar 1991 einen erbarmungslosen Krieg gegen den Norden. Bei Kriegsende waren 85 Prozent Hargeisas durch Luftangriffe zerstört, ein Großteil der Bevölkerung war in Flüchtlingslager an der äthiopischen Grenze geflohen. Noch heute fordern Millionen vergrabene Minen täglich Opfer.

„Wir erbten praktisch nichts — nur die Bitterkeit der Menschen und die Folgen des Krieges“, sagt der Minister für Wiederaufbau, Abdi Adel Bare. Das Fehlen von Steuergeldern mache seine Aufgabe nicht leichter. Die SNM habe aber auch Fehler gemacht, gibt Bare zu. Sie habe nur gegen die Barre-Diktatur gekämpft und zuwenig an die Zukunft gedacht. Auch sei es der Regierung nicht gelungen, traditionelle Klan-Rivalitäten zu überbrücken.

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