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Ein Jahr Kampf gegen männliche Ignoranz

■ Die Frauenbeauftragte der Freien Universität, Christine Färber, zieht Bilanz/ Enttäuscht über den allgemeinen Widerstand gegen mehr Professorinnen

Berlin. Christine Färber, die erste hauptamtliche Frauenbeauftragte an der Freien Universität, kann ihre Enttäuschung nach einem Jahr Amtszeit kaum verbergen. Am 1. März 1991 war sie angetreten, um über die Gleichstellung von Frauen in Lehre, Forschung und Verwaltung zu wachen.

Daß ihr keine leichte Aufgabe bevorstand, wußte sie, doch mit so vielen Schwierigkeiten hatte sie nicht gerechnet. »Es gibt Dinge, die werde ich nicht lösen, egal, wie lang ich im Amt bin«, seufzt die 28jährige Politikwissenschaftlerin. »Ich werde die Männer nicht dazu bringen können, daß sie Frauen fördern, weil sie Frauen fördern wollen.«

Die Argumente gegen Frauen sind beliebig

Erhofft hatte sich Christine Färber eine Erhöhung des Frauenanteils in den verschiedenen Hochschulgruppen, doch dies sei ihr nicht gelungen, stellt sie ernüchtert fest. 1991 sei der Anteil der Frauen unter den Neuberufenen gegenüber dem Vorjahr sogar zurückgegangen. Letzteres führt die Frauenbeauftragte der FU allerdings auf die schon laufenden Berufungsverfahren in den ersten Monaten ihrer Amtszeit zurück, auf die Färber keinen Einfluß mehr nehmen konnte.

Im Wintersemester 91/92 lehrten an der FU gerade mal 85 Professorinnen, demgegenüber waren die Männer mit 1.100 Wissenschaftlern vertreten. Besonders unter den einflußreichen C4-Lehrstuhlinhabern ist der Frauenanteil mit unter drei Prozent verschwindend gering. Trotz des Landesantidiskriminierungsgesetzes, das die Frauenbeauftragten mit weitreichenden Kompetenzen ausstattete — sie sind an sämtlichen Einstellungsvorgängen zu beteiligen und haben ein aufschiebendes Vetorecht — gelingt es ihnen nur äußerst selten, eine Frau auf die BewerberInnenliste ganz oben zu plazieren. Einen Grund sieht Christine Färber darin, daß Frauen und Männer nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden. In den ersten Monaten ihrer Amtszeit sollten beispielsweise zwei Stellen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen besetzt werden. Im ersten Fall bekam ein Mann den Zuschlag, weil er Lehrerfahrungen hatte. Eine Mitbewerberin konnte diese Qualifikation nicht vorweisen. Im zweiten Fall war es genau umgekehrt: eine Bewerberin mit Lehrerfahrung wurde abgelehnt, weil sie für diese Stelle als überqualifiziert galt. »Die Argumente, die für oder gegen eine Frau sprechen, sind beliebig«, meint Christine Färber. »Männer müssen davon überzeugt sein, daß sie eine Frau wollen.« Christine Färber kennt auch Beispiele, wo Frauen allein wegen ihres Alters nicht eingestellt wurden. »Mir hat mal ein Professor gesagt, er würde eine Frau nicht einstellen wollen, weil sie 41 Jahre alt ist. Der Einstellungsantrag lautete auf einen Mann, der auch 41 Jahre alt ist. Das heißt, die Frau gehört in dem Alter schon zum alten Eisen. Der Mann aber ist mit 41 Jahren gerade in der Blüte seiner Schaffenskraft.« Nicht nur bei Stellenbesetzungen stößt die Frauenbeauftragte immer wieder auf männlichen Widerstand. Ständig muß sie sich für den gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag der Frauenförderung rechtfertigen, um Informationen und Termine bitten, den Herren, die sie noch nicht kennen, erklären, was sie zu tun habe. Bis heute residiert die Frauenbeauftragte der größten Berliner Universität in einem winzig kleinen Büro im Rudolffweg, weit weg von der Hochschulleitung. Und um eine Ganztagssekretärin mußte sie ein Dreivierteljahr kämpfen.

Viel Arbeit und wenig Entscheidungskompetenz

Als Frauenbeauftragte habe sie viel Arbeit und wenig Entscheidungskompetenz, stellt Christine Färber lapidar fest. Die meiste Zeit verbringt sie mit Sitzungen und Verwaltungsarbeit. Für andere Aufgaben, zum Beispiel die Planung von Veranstaltungsreihen für Frauen, bleibt ihr kaum noch Zeit.

Noch hat Christine Färber drei Jahre Amtszeit vor sich. Zusammen mit den 30 nebenamtlichen Frauenbeauftragten will sie sich vor allem um strukturelle Frauenförderung und um die Unterstützung von Nachwuchswissenschaftlerinnen kümmern. Geplant ist ein Kolloquium für Frauen und im kommenden Wintersemester eine Veranstaltungsreihe zum Thema »Frauen im Studium«. Die schwierigste Aufgabe liegt allerdings noch vor ihr: die Durchsetzung der Frauenförderrichtlinien, in denen verbindlich festgelegt wird, wie und in welchem Umfang der Frauenanteil in den verschiedenen Bereichen erhöht werden soll. Schon jetzt rechnet Christine Färber mit Widerstand. Ende April soll der Entwurf vorgestellt werden. Burgel Langer

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