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■ Das Polizeigesetz ist ein Thema für den Wahlkampf

So etwas gehört zum parlamentarischen Ritual: Die Opposition ist empört und verläßt unter Protest den Saal. Die Regierungsabgeordneten tun so, als sei nichts geschehen und beraten unverdrossen weiter. Doch in Wahrheit sind die Gefühle ganz anders gemischt: Die Opposition frohlockt, endlich den Anlaß für einen wirksamen Eklat zu haben. Die Regierungsfraktionen dagegen sind die Betrogenen, fehlt ihnen doch plötzlich die demokratische Staffage.

Der kleine Aufstand, gestern geschehen in dem Parlamentsausschuß, der das neue Polizeigesetz berät, ist eine geschickte Inszenierung der Opposition. Einerseits. Andererseits ist der Ärger über die Koalitionsstrategen berechtigt. Monatelang zögerten sie im letzten Jahr die Beratung heraus, ließen eine vom Datenschutzgesetz gegebene Frist verstreichen und kaschierten das ganze mit Schuldzuweisungen an den jeweils anderen Koalitionspartner. Jetzt soll es plötzlich ganz schnell gehen: Das Polizeigesetz wird durchgeprügelt.

Hört man auf die Regierungspartei SPD, dann ist das ASOG »das wichtigste sicherheitspolitische Vorhaben der letzten zwanzig Jahre«. Doch die öffentliche Debatte, die das Gesetz ausgelöst hat, wird gleich wieder abgewürgt. Einige Paragraphen des Gesetzes hat die Koalition entschärft. Trotzdem bleibt es der Polizei erlaubt, Unverdächtige mit Lauschangriffen und Observationen zu traktieren. Wollen die Berliner das? Ängstigt sie die Kriminalität wirklich mehr als alles andere? Oder ist ihnen etwa das Restrisiko zu groß?

Es wäre ein ideales Thema, um es im Bezirkswahlkampf zu diskutieren. Doch genau das scheinen CDU und SPD vermeiden zu wollen. »Wir lauschen heimlich, damit sie ruhig schlafen können!« — offenbar doch kein zündender Slogan. Hans-Martin Tillack

Siehe auch Seite 22.

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