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Berlin bald in besserer Verfassung?

■ Liste der neun Verfassungsrichter ist komplett/ CDU nominierte ihre Kandidaten/ Richterwahl in einer Woche vorgesehen/ Ehemaliges Kontrollratsgebäude am Kleistpark wird Gerichtssitz

Berlin. Ab kommendem Freitag können die Berliner erstmals ein für sie völlig neues Recht in Anspruch nehmen und vor einem Landesverfassungsgerichtshof eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Der Gerichtshof, der voraussichtlich am 27.März seine Arbeit aufnehmen wird, existiert auf dem Papier schon seit dem 3. Oktober 1990. In den Jahrzehnten zuvor mußte West-Berlin diese Instanz wegen alliierter Vorbehalte entbehren, in den Monaten nach der Vereinigung wurde die Richterwahl immer wieder vertagt. Als letzte Partei hat jetzt die CDU ihre Kandidaten nominiert. Am 26.März soll das Abgeordnetenhaus die neun Richter wählen. Eine Adresse hat das Gericht bereits. Es soll als Untermieter des Kammergerichts im ehemaligen Kontrollratsgebäude am Kleistpark unterkommen.

Geht es nach der Absprache von CDU und SPD, dann wird der Anwalt und CDU-Abgeordnete Klaus Finkelnburg Gerichtspräsident. Als sein Vize ist Ehrhart Körting vorgesehen, ebenfalls Anwalt und SPD- Mitglied. Der Fraktionsvorstand der Christdemokraten verständigte sich jetzt auch auf die Namen der drei weiteren CDU-Kandidaten, allesamt weithin unbekannte Gesichter. Nominiert wurden Hans-Joachim Driehaus, Mitglied des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, die Anwältin Cornelia Hoene und der Richter am Kammergericht, Hans Dittrich, der unter Juristenkollegen als Spezialist für Kostenrecht gilt.

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichtes, Manfred Wilke, wurde von der CDU wider Erwarten nicht aufgestellt. Die Christdemokraten begründen das mit einem Interessenkonflikt: Als Verfassungsrichter hätte Wilke auch Beschwerden gegen Entscheidungen seines eigenen Gerichtes verhandeln müssen.

Die Fraktionen von SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne hatten ihre Richterkandidaten schon vor einigen Monaten nominiert. Für die SPD sollen dem Gericht neben Körting die Verwaltungsrichterin Renate Citron-Piorkowski und der Anwalt Klaus Eschen angehören. Bündnis 90/Grüne schicken die Anwältin Veronika Arendt-Rojahn ins Rennen. Die FDP benannte den Juraprofessor Philipp Kunig. Kunig, den Experten als liberalen, wenngleich industriefreundlichen Juristen schildern, dürfte auf der Richterbank zwischen den vier konservativen und den vier roten und grünen Juristen das Zünglein an der Waage werden.

Doch zuvor müssen alle neun Kandidaten im Parlament eine Zweidrittelmehrheit erringen. Auch die Grüne Arendt-Rojahn braucht die Stimmen der CDU, und das könnte ihr ebenso Schwierigkeiten bereiten wie Citron-Piorkowski, die sich mit scharfer Kritik am neuen Polizeigesetz bei manchen Koalitionsabgeordneten unbeliebt gemacht hatte. Doch selbst Finkelnburg muß um sein Wahlergebnis fürchten. In der CDU- Fraktion werfen ihm viele sein »professorales Gehabe« vor. Andere stoßen sich daran, daß er auch die ehemalige Schalck-Firma »Intrac« vertreten hatte. Als die CDU-Fraktion über Finkelnburgs Kandidatur entschied, erhielt er zwar keine Gegenstimmen. Zuvor waren jedoch, so wird in der CDU kolportiert, einige Finkelnburg-Kritiker zum Handheben vergattert worden. In der Fraktion, die offen abstimmte, konnte diese Methode verfangen. Ob sie auch bei der geheimen Abstimmung im Abgeordnetenhaus wirkt, gilt Eingeweihten als zweifelhaft. hmt

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