Mit Augenbalsam wieder sehen lernen

■ Eine filmische Reise in ein fernes Land: Jan Schüttes „In Patagonien“, So., 22.10 Uhr, ZDF

Der „Mann mit den Fußsohlen aus Wind“, der Schriftsteller Bruce Chatwin, hatte sich Ende der siebziger Jahre von einem Kindheitstraum in das ferne Patagonien, dem südlichen Zipfel Lateinamerikas, führen lassen. Der Regisseur Jan Schütte (Drachenfutter, Winckelmanns Reisen) macht In Patagonien den gleichnamigen Roman des berühmten Autors, der 1989 im Alter von nur 49 Jahren starb, zum Kompaß einer filmischen Reise.

Wie gut Fernsehen der Wahrnehmung tun kann, führt uns Schütte in seiner Poesie der Bilder vor Augen. Dem vom Fast-Look-TV ermüdeten Blick arbeitet er mit langen, kontemplativen Einstellungen entgegen. Ein Lichtschalter in Großaufnahme, ein leeres Zimmmer — Schütte gönnt seinem Publikum die Muße, Details zu betrachten, die Komposition seines schlichten und melancholischen Films zu genießen.

Bruce Chatwin, erfahren wir von einer nüchtern klingenden Stimme aus dem Off, sei bei seiner Arbeit als Auktionator durch das zu nahe Betrachten von Bildern „blind“ geworden. Um wieder sehen zu lernen, solle er es doch mal mit Horizonten versuchen, empfiehlt man ihm. Auch Schütte verschreibt seinem Publikum den Anblick von Weite. Wenn er die die Kamera über die endlose argentinische Steppe und Wolkengebirge schweifen läßt, wirkt das selbst im Guckkasten des Fernsehens wie Balsam für die Augen. Und wir vermögen dank der Kur wieder zu sehen.

Aus einer Mischung von Zitaten, Fiktion und Dokumentarischem ist so ein faszinierender Film über das Grundmotiv der Wanderschaft entstanden. Die Begegnungen mit Schüttes Film läßt uns In Patagonien ankommen; sowohl in der Region, die als „Zeh der Erde“ kurz vor Feuerland auf dem Globus zu finden ist, als auch in dem imaginären Land, das sich dem Leser zwischen Chatwins Buchseiten eröffnet. SaJa