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Pfiffe auf dem Betzenberg

■ 1. FC Kaiserslautern-VfB Stuttgart 0:0/ Zum erstenmal in der Ära Feldkamp wurden die desolaten Lauterer von ihrem Publikum geschmäht/ Stuttgart verpaßte den verdienten Sieg

Kaiserslautern (taz) — Nach dem Spiel auf dem Betzenberg: Irritiert schauten 100 Reporteraugen auf den Monitor, wo gerade Fernsehreporter Jörg Dahlmann die beiden Trainer befragen wollte. Doch wo war Karlheinz Feldkamp? Statt seiner stand da sein ergrautes Double, Co-Trainer Rainer Hollmann, und gab kleinlaut sein Statement ab. Auch in der anschließenden Pressekonferenz erschien der zweite Mann der Lauterer und ließ sich erst nach hartnäckigem Fragen entlocken, wo sich der Meistermacher vom letzten Jahr verkrochen hatte. Rückenbeschwerden plagten ihn, den es gegen Ende des Spiels kaum auf seinem Spezialstuhl gehalten hatte, so sehr litt er unter dem katastrophalen Spiel seiner wieder einmal völlig umgekrempelten Mannschaft und unter seinem kranken Kreuz. Das, so Hollmann, lasse der Chef jetzt kurieren, in Spanien, wohin er schon zwei Stunden nach dem Spiel abdüsen werde. Auch Helma, seine sektselige Ehefrau, fehlte an ihrem angestammten Tischlein, ein absolut ungewohntes Bild im Presseraum des Fritz-Walter-Stadions.

Kurz vor Spielende, als der VfB Stuttgart mehrere gute Möglichkeiten zum Sieg vergeben hatte, war es auf dem Betzenberg erstmals seit Kallis Lauterer Wiedergeburt im März 1990 zu Mißfallensäußerungen des Publikums und insbesondere der treuen Westkurve gekommen. „Aufhören, aufhören“, schallte es elf müden Teufeln entgegen.

Wie schon gegen Bayern München blickten vor dem Spiel viele ungläubig drein, als sie den Aufstellungsbogen vor Augen hielten. Feldkamp warf Goldbaek, Haber, Scherr und Lelle raus, stellte den mit seiner Gesundheit russisches Roulette spielenden Reinhard Stumpf in die Abwehr, brachte den nur in der U 21 starken Markus Kranz im Mittelfeld und gab dem von ihm ungeliebten Axel Roos eine unverhoffte letzte (?) Chance. Die Folge davon: Stefan Kuntz stocherte so dilettantisch im Mittelfeld herum, daß Berti Vogts um seinen Einsatz beim Länderspiel gegen Italien am Mittwoch in Turin herumkommen dürfte. Erst als Marcel Witeczek sich verletzte und Bjaerne Goldbaek für ihn kam, war beim Meister ein Spielaufbau erkennbar.

Ganz anders der VfB Stuttgart. Dort demonstrierte der technisch überragende Maurizio Gaudino zusammen mit Matthias Sammer, wie man im Mittelfeld agiert, Fritz Walter und Wiggerl Kögl brachten die FCK-Abwehr immer wieder durcheinander. Nach 27 Minuten traf Gaudino aus dreißig Metern nur Ehrmanns Fäuste und die Latte, eine Viertelstunde später hatte der FCK seine einzige große Chance, als Kuntz flankte und Kranz den Ball an den Pfosten knallte.

Die Pfälzer machten zwar Druck, verfingen sich aber stets in der „besten Abwehr der Bundesliga“ (VfB- Trainer Christoph Daum). Guido Buchwald und Günther Schäfer beförderten die Bälle nach vorn, wo Kögl nach 54 Minuten allein auf Ehrmann zulief und dieser nur waghalsig mit dem Fuß klären konnte. Nach einer Stunde Spielzeit begehrte der VfB beide Punkte und in der 89. Minute hätte es denn auch beinahe geklappt. Andreas Buck flankte von rechts, Gaudino verlängerte per Kopf zu Sammer, doch der traf abermals nur die Latte. Der VfB hätte den Sieg verdient gehabt, der FCK die Niederlage.

So ist zu befürchten, daß statt eines Donnerwetters im Pfälzer Wald wieder nur ein Klamottentausch erfolgt. Rein in den Trainingsanzug, raus auf den Bökelberg. Das nächstemal kann es dann wieder Kadlec, Kranz und Roos treffen, die Unruhe würde noch größer, von der Verunsicherung der Spieler ganz zu schweigen. Daß einige der roten Teufel anderen der Ihren nicht gerade wohlgewogen sind, wird längst nicht mehr nur in oder vor der Kabine gehandelt. Doch jetzt hat das Virus auch den Trainer erreicht, der sonst immer die rechten Worte fand, zuletzt allerdings mit sarkastischem Unterton.

Neueren medizinischen Lehrbüchern ist zu entnehmen, Rückenschmerzen seien oftmals psychosomatischer Natur. Für Kalli Feldkamp waren sie schon einmal Anlaß für die Flucht aus der Bundesliga, damals bei Eintracht Frankfurt. Anschließend kurte er am Nil, bis der Anruf aus Kaiserslautern kam, von Reiner Geye. Damals, Februar 1990. Günther Rohrbacher-List

VfB Stuttgart: Immel - Dubajic - Schäfer, Schneider - Kögl, Buchwald, Sammer, Sverrisson, Frontzeck - Walter (72. Buck), Gaudino

Zuschauer: 38.000

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