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Historische Fälschungen-betr.: "Es war alles umsonst" von Roland Hofwiler, taz vom 10.3.92

betr.: „Es war alles umsonst“ von Roland Hofwiler, taz vom 10.3.92

[...] Es ist bemerkenswert, daß das ganze journalistische Spektrum Deutschlands (die taz mit eingeschlossen) in den letzten Wochen und Monaten vehement versucht hat, Griechenland als einen Vielvölkerstaat zu apostrophieren, in dem angeblich eine „Repressionspolitik“ gegenüber den „Minderheiten“ ausgübt wird.

So auch in der obengenannten Reportage. Eine Fülle von Lügen, historischen Fälschungen und Auslassungen, falsche ethnologische Statistiken und krasse Widersprüche lassen diese als extrem voreingenommen und deswegen gefährlich erscheinen.

Wir möchten auf einige bestimmte Punkte eingehen, die unsere Behauptungen stützen.

1: Es ist schlicht gelogen, daß in Gebieten Griechenlands, die auch von Moslems bewohnt werden (Westthrakien) der „Schulunterricht in türkisch bereits verboten ist“. In der Zeitschrift „Contakt Bulletin“, welche von der EG finanziert wird, Können Sie darüber folgendes lesen: „In der Region (Westthrakien) gibt es jetzt für die moslemische Bevölkerung 163 Schulen, die vom griechischen Staat bezahlt werden, mit 474 Lehrern und 10.945 Schülern. Ungefähr die Hälfte der Fächer wird auf türkisch unterrichtet ...“

2. Bevor Ihr Reporter über die „Repressionspolitik“ in Griechenland schreibt, müßte er eigentlich folgende Tatsachen berücksichtigen: Die Zahl der moslemischen Bevölkerung (Türken, Pomaken, Roma-Zigeuner) in Westthrakien stieg von 111.200 im Jahre 1922 auf gut 120.000 (1981) und das während die Gesamtbevölkerung in dieser Region ständig abnimmt (1961 lebten dort 356.555 Menschen, 1981 nur noch 345.220). Hierbei müssen wir auch erwähnen, daß die griechische Minderheit in Konstantinopel und auf den Inseln Imbros und Tenedos (deren völkerrechtlich verankerten Sonderstatus im türkischen Staat die Türkei willkürlich abgeschafft hat) heute praktisch verschwunden ist. Lebten dort 1922 noch 280.000 ethnische Griechen, so ist ihre Zahl 1981 auf 3500, meist älteren Menschen, geschrumpft. [...]

3. Als Journalist sollte R. Hofwiler wissen, daß Griechenland nie die Existenz eines „Volkes von zwei Millionen Einwohnern“ im südlichen Teil des ehemaligen Jugoslawien ignoriert hat. Die Griechen protestieren lediglich dagegen, daß die „Republik Mazedonien“ unter Verletzung aller ethnischen und historischen Grundlagen den Namen Mazedonien usurpiert hat und ihn für expansionistische Ziele mißbraucht (s.u.). [...]

4. Der Reporter Hofwiler weiß zu berichten, daß im griechischen Westmakedonien sich die Menschen „Cevapcici“ öffentlich nicht aussprechen trauen, weil die Angst vor „Spitzeln, Denunzianten und V- Leuten“ allgegenwärtig ist. Merkt er eigentlich nicht, daß er sich die gegenstandslose Propaganda der skopjanischen Nomenklatur zueigen macht? [...]

5. Warum schreibt R. Hofwiler sooft „Mazedonier und/oder Bulgaren“? Hat er nicht gemerkt, daß man dadurch politische Absichten offenbaren kann?

6. Wenn man die [...] ethnologische Statistiken Ihres Mitarbeiters liest, dann meint man, daß in Nordgriechenland kaum noch ein Grieche beheimatet ist. Die über eine Millionen Makedonier, welche mitte Februar in Thessaloniki für ihre griechische Identität demonstriert haben, waren für R. Hofwiler anscheinend Gespenster, die die Pläne Gligorovs und der bulgarischen Nationalisten stören. [...]

7. Die systematischen und wohlüberlegten „Expansionsgelüste“ seitens der Skopjaner können trotz etwaiger „Beteuerungen“ (sic!) Kiro Gligorovs nicht aus der Welt geschaffen werden. Ihre Expansionspolitik basiert nicht nur auf die Herausgabe von Broschüren und Landkarten von Gesamt-Makedonien, mit slawischen Namen für griechische Städte und Dörfer Nordgriechenlands, sondern auch auf Deklarationen und öffentlichen Stellungnahmen der politischen Nomenklatura dieses Staates. [...]

Sicherlich ist es absurd zu behaupten, daß Griechenland von seinem nördlichen, ethnisch inhomogenem Nachbarn militärisch bedroht werden kann. Vergessen Sie aber nicht, daß sich auf dem Balkan möglicherweise „Allianzen“ von Drahtziehern und „Hintermännern“ gebildet haben, und daß „Schutzmächte“ und „moslemische Sperrgürtel“ um Griechenland die Konstellation in der Region verändert haben. [...]

Vergessen Sie bitte nicht, daß Serbien dieses Gebiet als „Südserbien“ betrachtet und daß die Bulgaren noch immer vom „Großbulgarischen Reich“ träumen, während die wieder „selbstbewußte“ Türkei sich zur „Beschützerin“ aller Balkan-Moslems ernannt hat. [...]

8. Ihrem Mitarbeiter sollte eigentlich bekannt sein, daß Griechenland das erste Opfer des „Kalten Krieges“ war. Mehrere zehntausend Griechen fanden den Tod in einem Bürgerkrieg, in dem fremde Mächte und Interessen eine bestimmte Rolle spielten. Haben Sie schonmal gedacht, daß der Streit zwischen Tito und Stalin kein ideologischer, sondern vielmehr ein Kampf um die Hegemonie auf dem Balkan gewesen sein könnte? Nationale Minderheiten spielten dabei eine wichtige Rolle, man brauchte sie. [...]

Tito und Stalin verlagerten ihren Kampf in das „Pirin-Mazedonien“ und alle „Slawo-Mazedonier“, [...] mußten Griechenland verlassen. Dies war die letzte Umsiedlung in Griechenland in diesem Jahrhundert, was dazu führte, daß heute, hinsichtlich der „Slawo-Mazedonen“, keine schwerwiegenden Minderheitenprobleme existieren können. Deswegen basieren die Probleme zwischen Bulgarien, Griechenland und des ehemaligen Jugoslawiens nicht in erster Linie auf ethnologische, sondern auf politische Gegebenheiten. [...] Stoilopoulos Wassilios, Eva Avlidou, Giannis Ainalidis (aus der Initiative griechischer Studenten u. Berufstätiger, München)

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