: Ein Schöngeist in den Niederungen der Politik
■ Ein Porträt von Professor Klaus Finkelnburg, CDU: Vom APO-Gegner zum Vertreter SED-naher Firmen und Organisationen/ Höhepunkt seiner Laufbahn soll der Posten des Präsidenten des Berliner Verfassungsgerichtes sein
Als rechter Hardliner gilt der elegante, etwas massige Mann im dunklen Anzug nicht, eher als intellektueller Schöngeist. Das Wirtschaftsmagazin 'Forbes‘ hält ihn für einen begnadeten Juristen mit viel Einfluß auf die Entscheidungen in Berlin. Die grüne Juristin und Fraktionsvorsitzende Renate Künast schätzt ihn als kompromißbereiten Menschen. Die brandenburgische Landesverfassung, die mit sein Werk ist, ist nachgerade fortschrittlich. Aber wenn seine Partei, die CDU rufe, bedauert Künast, kommt der rechte Finkelnburg wieder durch.
Der 56jährige Finkelnburg, Mitglied des Abgeordnetenhauses und der Enquetekommission für die Berliner Verfassung, Spezialist für Staats- und Verwaltungsrecht, Notar und Anwalt, Chef einer großen Kanzlei, Mitglied im Anwaltsverein und im Justizprüfungsamt, kam 1963 zur CDU. Er hat an der Freien Universität studiert, deren damalige juristische Fakultät als Kaderschmiede heutiger CDU-Größen gilt. Dort studierten auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, Schatzmeister Jürgen Wohlrabe oder die Bundestagsabgeordneten Gero Pfennig und Peter Kittelmann.
Finkelnburg, der nach seinem Studium einen Lehrauftrag an der FU bekam, entwickelte sich rasch zum Gegner der linken APO, gegen deren Einfluß an der FU er oft protestierte, zuletzt dadurch, daß er sein Mandat für die FU niederlegte. Einmal wollte er gar im Auftrag der Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche eine Strafanzeige gegen Rudi Dutschke und andere Anti-Vietnamkrieg-Demonstranten wegen Hausfriedensbruchs erstatten. Trotzdem verliefen Finkelnburgs frühe Jahre eher unpolitisch. Der Anwalt machte sich aber schon bald als Gutachter einen Namen — etwa für den damaligen Senatsrat Heinz Lekutat, der von der landeseigenen Gesellschaft GeSoBau ein am Tegeler See gelegenes Grundstück weit unter Preis erwarb. Finkelnburg — übrigens heute noch Justitiar des GeSoBau — bestätigte 1979 dem unter Beschuß geratenen Lekutat, daß der weder zu straf- noch zu dienstrechtlichen Bedenken Anlaß gegeben habe. 1980 vertrat Finkelnburg die Bewag wegen des — umstrittenen — Kraftwerks Reuter West. Anwohner hatten gegen den Bebauungsplan für Reuter West geklagt, da das Kraftwerk die Schadstoffbelastung der Luft über die Maßen erhöhe. 1985 schließlich vertrat Finkelnburg, damals schon Abgeordneter, die hannoversche Adolf-Schaper- Gruppe gegen den Senat. Die Gruppe wollte — gegen den erklärten Willen des Senats — einen riesigen Verbrauchermarkt in Tempelhof errichten.
Der Berliner Bauskandal um Antes
Aber zurück ins Jahr 1980, als Finkelnburg in die Politik einstieg. Der damalige Charlottenburger CDU- Baustadtrat Wolfgang Antes holte den renommierten Juristen in den Kreisverband Charlottenburg, wo er rasch Ortsvereinsvorsitzender wurde und den Antes-Gegner Jakob Kraetzig ablöste. »Wir haben uns gewundert, daß sich ein so feingeistiger Mensch in die Niederungen der Politik begibt«, sagt ein Parteifreund. Bald bekam Finkelnburg Gelegenheit, sich gegenüber Antes zu revanchieren. Denn über den Stadtrat — inzwischen wegen Bestechlichkeit zu fünf Jahren Haft verurteilt — kursierte schon früh das Gerücht, er lasse sich bestechen. Unter konkreten Verdacht geriet Antes, als herauskam, daß er dem Wuppertaler Autohändler Otto Putsch 2.000 landeseigene Charlottenburger Wohnungen zu einen Stückpreis von 4.000 Mark verkaufen wollte. Putsch versprach gleichzeitig eine Millionenspende an die CDU. Der Rechtsamtsleiter Lothar Gosten führte 1984 deshalb Vorermittlungen gegen Antes und attestierte ihm unkorrektes Verhalten.
Finkelnburg sprang für Antes als juristischer Beistand ein und beschuldigte Gosten, daß der »unfundierte Vermutungen« äußere. Bezirksbürgermeister Eckard Lindemann, auch CDU, erteilte Antes immerhin einen förmlichen Verweis. Das angestrengte Ermittlungsverfahren stellte Lindemann jedoch ein — auf Druck von Finkelnburg und des späteren Innensenators Wilhelm Kewenig, wie Gosten später vor dem Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses sagte.
Als 1985 Antes Wiederwahl als Baustadtrat gefährdet war, soll Finklenburg — inzwischen Abgeordneter — sämtliche 23 CDU-Bezirksverordnete aufgefordert haben, eine Ehrenerklärung für Antes abzugeben. »Die Vorwürfe gegen Antes sind nur Peanuts«, sagte Finkelnburg seinerseits 1986 vor dem Untersuchungsausschuß, als Antes schon unter Anklage stand. Daß Antes ihn zum Bausenator machen wollte — während Antes Staatssekretär werden wollte—, bestritt Finkelnburg entschieden. Der Bauskandal in Berlin zog weitere Kreise: So wurde 1986 der Bauunternehmer Kurt Franke wegen Bestechungsverdacht inhaftiert, den Finkelnburgs Kompagnon Nils Clemm verteidigte. Finkelnburg selbst verfertigte im gleichen Jahr ein Gutachten für die landeseigene Stadt und Land. Inhalt: Das umstrittene Bauvorhaben Rudower Felder dürfe ohne Bebauungsplan entstehen. So wurden die Rudower Felder ohne vernünftige Rechtsgrundlage bebaut. Bei dem Vorhaben, das der inzwischen ebenfalls einschlägig verurteilte Baubetreuer Bernd Bertram organisierte, wurde das Land Berlin um Millionen Mark betrogen.
Finkelnburgs Kanzlei am Kurfürstendamm wuchs — so vertrat er unter anderen die Klingbeil-Gruppe in einem Prozeß um Baukosten — seine Liebe aber galt nach wie vor der Politik. 1989 war er als Bausenator im Gespräch, die CDU verlor jedoch die Wahl an Rot-Grün. Aber wenigstens konnte der Professor einen dicken Fisch an Land ziehen: Die Firma Intrac.
Finkelnburg und Schalck
Die Intrac gehörte bis zur Wende zum Firmenimperium der KoKo, der Kommerziellen Koordinierung des DDR-Staatssekretärs Alexander Schalck-Golodkowski. Zu DDR- Zeiten hatte die Firma einen Vertrag mit der Senatsfirma Berlin Consult abgeschlossen: Sie schaffte den Berliner Müll auf Brandenburger Kippen und kassierte dafür 60 Millionen Mark im Jahr an Devisen. Bei den Mülldeponien kam jedoch nur ein Bruchteil des Geldes an, dazu noch in Ostwährung. Man vermutet, daß der Rest in KoKo-Kanälen versickerte. Noch schlimmer war, daß auch von dem Müll nur ein Bruchteil auf den Deponien ankam und der Rest in dunklen Kanälen versickerte.
Kein Wunder, daß das Land Brandenburg nach der Wende auf die Barrikaden ging. Das Land Berlin solle den Vertrag zwischen Intrac und Berlin Consult kündigen, verlangte Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck. Anfang 1991 stellte Berlin zwar die Zahlungen an die Intrac ein, ließ aber den Müll weiterhin von der Firma abtransportieren. So konnte die Intrac im Sommer letzten Jahres vor das Landgericht ziehen, wo sie von der Berlin Consult runde 50 Millionen Mark erstritt sowie die Einhaltung des Vertrages bis 1994 durch die Berlin Consult. Intrac-Anwalt Finkelnburg kassierte dafür schätzungsweise eine halbe Million Mark an Honorar. Kritik an dieser Mandatschaft wies Finkelnburg damals gegenüber der taz zurück. »Genauso könnten Sie sagen, man vertritt keine Juden«, meinte er.
Deutsch-Sowjetische Freundschaft
Mit seinem nächsten, mindestens ebenso lukrativen Auftrag begab sich die Kanzlei Finkelnburg in noch größere Nähe der SED. Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, kurz DSF genannt, eine der SED nahestehende Massenorganisation, war zu DDR-Zeiten Nutzerin von 29 Immobilien im Wert von mehreren hundert Millionen Mark in verschiedenen DDR-Städten, auch in Ost-Berlin. Das wertvollste dieser Häuser ist das »Palais am Festungsgraben«, in dem früher das Preußische Finanzministerium residierte. Die DSF, von sechs Millionen Mitgliedern auf gut 20.000 geschmolzen, gründete nach der Wende zusammen mit der Winforma GmbH die Gesellschaft WIN-Interkontakt- Club, abgekürzt WIC. Die Winforma ihrerseits war aus ehemaligen DDR-Außenhandelsbetrieben entstanden. Sie brachte 29 Millionen Ost-Mark in die WIC ein, während die DSF ihren Anteil in Form der 29 Immobilien einbrachte. Offensichtlich diente die Gesellschaftsgründung nur dem Zweck, die 29 Immobilien zu sichern. Und: Während der Gesellschaftsvertrag der WIC von Edgar Irmscher, dem Schwiegersohn von Harry Tisch verfaßt wurde, saß in der WIC-Geschäftsführung mit Harald Schütz ein hoher Stasi- Offizier. Der dreiste Coup wurde bald bekannt. Die Treuhand reklamierte die Immobilien für sich. Auf das Palais am Festungsgraben erhob zusätzlich das Land Berlin Anspruch. Inzwischen hatte die WIC aber bereits Räume an zahlungskräftige Westler vermietet, darunter — was Wunder — die Kanzlei Finkelnburg, die in das Palais am Festungsgraben zog. Im Gegenzug beriet Finkelnburgs Sozius, der Ostanwalt Harry WÜnsche — vormals SED- Mitglied und Abteilungsleiter im DDR-Außenhandelsministerium — die DSF in der Auseinandersetzung mit der Treuhandanstalt. Nur merkwürdig, daß Finkelnburg nach dieser Vorgeschichte als Mitglied des Richterwahlausschusses gegen die Ernennung der angeblichen PDS-Richterin Cathrin Junge stimmte.
Immobiliengeschäfte in der City
Bei der letzten Wahl nahm Finkelnburg einen neuen Anlauf in seiner politischen Karriere: Er wollte Justizsenator werden — allein, das Amt ging an die SPD. Seine Kanzlei konnte aber immerhin Einfluß auf die Immobilienpolitik des Senats gewinnen. Bekanntestes Beispiel sind die sogenannten Liste-3-Enteignungen. Dabei geht es um 400 Berliner Grundstücke von zweistelligem Milliardenwert, die von den Sowjets Ende 1949 enteignet wurden. Diese Enteignungen dürfen laut Einigungsvertrag eigentlich nicht rückgängig gemacht werden. Dies sah Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) im Herbst 1991 anders und entschied: Die Grundstücke gehen wieder an die Vorbesitzer, darunter Salamander oder Hertie. Pieroths Rechtsauffassung wurde dem Rechtsanwalt Jost von Trott zu Solz aus der Kanzlei Finkelnburg unterstützt. Pikanterweise vertritt die Kanzlei selbst eine Reihe von Alteigentümern, die ihre Grundstücke wiederhaben wollen. Und nicht nur dies: Finkelnburg mischt — wie auch die Konkurrenzkanzlei Knauthe & Partner — selber im Grundstückspoker um die Berliner Innenstadt mit: So kaufte die Kanzlei zahlreichen Alteigentümern ihre Restitutionsansprüche ab, zuletzt bei einem City-Grundstück an der Friedrich-/ Ecke Kronenstraße.
Als bekannt wurde, daß Finkelnburg Präsident des Verfassungsgerichtes werden will, wurden allseitig Bedenken laut. Finkelnburg könne dann häufig nicht als Richter an einem Verfahren teilnehmen, an dem seine Kanzlei beteiligt sei, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Percy MacLean, im 'Tagesspiegel‘. Deutlicher drückte es ein anonymes Flugblatt aus, dessen Herkunft man in CDU-Kreisen vermutet: Eine »Person«, die gegen die eigene Berliner Regierung Ganoven vertrete, die Millionenbeträge geraubt hätten, könne nicht plötzlich Präsident des Verfassungsgerichts werden. Eva Schweitzer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen