: KSZE will im Kaukasus schlichten
■ Die Außenminister der 51 Mitgliedsstaaten beschlossen Friedenskonferenz, der neben den Konfliktparteien in Berg-Karabach elf Staaten angehören sollen / Genscher für KSZE-Eingreiftruppe
Helsinki (dpa/afp/taz) — Nach stundenlangen Sondersitzungen hat sich die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) am Dienstag abend in Helsinki auf einen vorläufigen Plan zur Lösung des Konflikts in Berg-Karabach geeinigt. Als amtierender KSZE-Präsident kündigte CSFR-Außenminister Jiri Dienstbier „eine internationale Konferenz“ mit möglicherweise bis zu elf Staaten an, die „so bald wie möglich“ in der weißrussischen Hauptstadt Minsk zusammentreten soll.
Die Erklärung der 51 Außenminister der KSZE, deren Delegationen bis zum 9. Juli in Helsinki tagen sollen, enthält noch keine Angaben über den Termin für die KSZE-Friedens- Konferenz für Berg-Karabach. Auch der Vorsitz, der von Präsident Dienstbier bestimmt werden soll, blieb unklar. Möglicherweise werden die Außenminister selbst die Friedenskonferenz eröffnen. Zunächst reist der tschechoslowakische Außenminister zusammen mit Vertretern der früheren (Deutschland) und der nächsten KSZE-Präsidentschaft (Schweden) am 30. März selbst in das in Aserbaidschan gelegene und mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach, um die Möglichkeiten für die Friedenskonferenz auszuloten. Dieser geschäftsführende Dreier-Ausschuß soll später als Lenkungsorgan entscheidende Kompetenzen in der KSZE übernehmen.
Damit wird ähnlich dem Krieg in Kroatien neben der UNO auch die KSZE als Schlichter aktiv. In Ex-Jugoslawien fungiert als Vermittlerin ja bekanntermaßen die Europäische Gemeinschaft im Auftrag der KSZE. Damit wollen sich viele der Außenminister der KSZE-Staaten nicht zufriedengeben. Deshalb sprachen sich die Außenminister der 51 Staaten für die Stärkung ihrer Organisation und mehr Entscheidungsgewalt aus. Im Krieg um Berg-Karabach müsse sich erweisen, ob die KSZE zum wirksamen Eingreifen in regionale Kriege und Konflikte in der Lage sei. Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher griff dieses Interesse auf und forderte sogar, die KSZE müsse fähig werden, eigene friedenserhaltende Maßnahmen zu treffen. Dazu gehörte auch die Aufstellung eigener militärischer Einheiten, KSZE-Blauhelme müßten zur Durchsetzung der KSZE-Beschlüsse geschaffen werden. Nach Genschers Ansicht könnte auch die Nato von der KSZE zur Durchsetzung der Beschlüsse herangezogen werden. Falls es zu Streitigkeiten zwischen Mitgliedern komme, müßte ein Schiedsgericht eine für alle Seiten verbindliche Entscheidung treffen können.
Dieser weitgehende Vorschlag zur Funktionsveränderung der KSZE wurde von anderen Rednern unterstützt. So schloß sich der russische Außenminister Kosyrew den Vorschlägen Genschers an und sah im Konflikt um Berg-Karabach eine reale Bedrohung für die Region und für die Wirtschaftsreformen in der früheren Sowjetunion. Unklar blieb bisher, welche Position die USA in dieser Frage einnehmen.
Bei allen gutgemeinten Absichtserklärungen mißlang schon die erste Nagelprobe für die Fähigkeit der Konferenz, konkrete Entscheidungen zu treffen. Uneinigkeit herrschte nämlich bis zuletzt um den Status der Delegierten aus Berg-Karabach selbst, der erst auf der dreitägigen Konferenz geklärt wird. So ist die Frage aufgeworfen, wie eine Funktionsänderung der KSZE ohne eine Reform der Struktur bewerkstelligt werden soll.
In dem konkreten Fall Berg-Karabach zeichnet sich ein neues Gremium ab. Denn an der geplanten Friedenskonferenz sollen neben dem Dreier-Ausschuß Armenien, Aserbaidschan, die USA, Italien, Frankreich, Rußland, die Türkei sowie Weißrußland als gastgebende Nation teilnehmen. Dienstbier teilte mit, daß er für Friedenspläne auch „Informationen aus dem Iran“ — der selbst nicht Mitglied ist, aber selbst Friedensinitativen unternommen hat— erhalten habe.
Weiterhin werden Vertreter von Armenien, Aserbaidschan und der Enklave Berg-Karabach zusammentreffen und Lösungsmöglichkeiten beraten. Der aserbaidschanische Außenminister Ada Sadichow erklärte, sein Land sei bereit, eine „lokale Autonomie“ für die Enklave in Erwägung zu ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen