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Libyscher Eiertanz in Den Haag

■ Internationaler Gerichtshof verhandelt über Lockerbie-Attentat/ UN-Sicherheitsrat berät heute über Sanktionen/ Spekulationen über die innenpolitischen Folgen einer Auslieferung der Geheimdienstler

Kairo/Den Haag (taz/wps/afp) — In einer flammenden Rede wies der Vertreter Libyens gestern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag Anschuldigungen zurück, seine Regierung sei für das „verabscheuungswürdige Attentat von Lockerbie“ verantwortlich. Vor dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal warf der ehemalige libysche Informationsminister Muhammed Scharaf ad-Din al-Faturier den USA und Großbritannien „illegale und willkürliche“ Erpressung vor. Libyen sei „weder direkt noch indirekt“ in den Anschlag auf den Pan- Am-Jumbo verwickelt, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen.

Libyen hatte vor dem Gericht ein Eilverfahren beantragt, um eine einstweilige Verfügung gegen ein UN-Embargo durchzusetzen. Damit wollen die USA und Großbritannien die Auslieferung zweier libyscher Geheimdienstler erreichen, die nach Angaben des CIA die Bombe gelegt haben sollen. Nach libyscher Interpretation bricht diese Forderung das Abkommen von Montreal, das seit 1971 die „Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt“ regelt. Demnach wäre es Libyen erlaubt, die beiden mutmaßlichen Attentäter vor ein eigenes Gericht zu stellen.

Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Margaret Tutwiler, bestritt gestern, daß das Verfahren in Den Haag, dessen Ergebnis erst in einigen Wochen erwartet wird, etwas an einem Embargo ändern werde. Sollte Libyen die beiden Männer nicht ausliefern, sei noch heute mit einem entsprechenden Beschluß des Sicherheitsrates zu rechnen. Der Resolutionsentwurf sieht ein Luft- und Waffenembargo vor, zudem soll das Personal der libyschen Botschaften im Ausland drastisch reduziert werden. Die Sanktionen erfolgen auf Grundlage von Kapitel VII der UN- Charta, das Gewaltanwendung zur Durchsetzung erlaubt.

Der Sicherheitsrat hatte Anfang der Woche Beratungen über Sanktionen vorerst unterbrochen, weil Libyens Führung sich bereit erklärt hatte, die beiden Geheimdienstler an die Arabische Liga auszuliefern. Eine daraufhin nach Tripolis gereiste Delegation der Liga kehrte aber am Mittwoch ohne Ergebnis zurück. Vor dem Haager Gerichtshof erklärte der libysche Vertreter, die beiden Libyer stünden der Liga „noch immer zur Verfügung“, von „Auslieferung“ sei aber nie die Rede gewesen. Nach einer weiteren Version soll Libyen bereit sein, die beiden Verdächtigen auszuliefern, wenn der Internationale Gerichtshof dies anordnet. Da in dem behandelten libyschen Antrag aber von Auslieferung nicht die Rede ist, wird mit einem solchen Beschluß nicht gerechnet.

Diplomaten in Tripolis weisen darauf hin, daß eine Auslieferung der beiden Geheimdienstler Abdel Basset Ali Megrahi und Lamen Khalifa Fhimah das libysche Machtgefüge erheblich erschüttern würde. Abdel Basset Megrahi gehört zum selben Stamm wie der zweitmächtigste Mann im Wüstenstaat, Major Abdul Salam Dschallud. Eine Auslieferung der beiden könnte die Loyalität sowohl des Geheimdienstes als auch des Stammes von Dschallud zu Gaddafi gefährden. Einige Diplomaten in Tripolis vermuten, das Auslieferungsersuchen sei darauf angelegt, Gaddafi zu stürzen. Für diesen Fall sei aber mit heftigen Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Stämmen zu rechnen. Möglicherweise würde das sogar einen Zerfall Libyens bedeuten, so die Einschätzung.

Unterdessen beobachtet die diplomatische Gemeinschaft in Tripolis die Praxis libyscher Behörden bei der Vergabe von Ausreisevisa an Ausländer. In den letzten Tagen soll es nach Diplomatenangaben in einigen Fällen zu Verzögerungen und Ablehnungen gekommen sein, allerdings schien das nicht auf bestimmte Nationalitäten zu zielen. Die libyschen Einwanderungsbehörden sollen laut der gleichen Quelle begonnen haben, gesonderte Listen über US-amerikanische, britische und französische Staatsbürger in Libyen zu erstellen. Obwohl die US-Regierung ihren Bürgern schon seit einigen Jahren Geschäfte mit dem Ölstaat verboten hat, sollen sich derzeit mindestens achtzig US-Bürger in Libyen aufhalten. taud

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