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PRESS-SCHLAGHannas Botschafter

■ Die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Hanna Renate Laurien, weiß, wie Berlin Olympia erhält

Hanna-Renate Laurien (CDU) kennt sich aus mit der Politik: Achteinhalb Jahre war sie Abgeordnete im Berliner Senat. Nun, als Präsidentin des Hohen Hauses, hat sie Zeit, sich der politischen Kür zu widmen. Ihre Übung heißt: Olympia.

Olympia nämlich, davon ist Hanna-Renate Laurien überzeugt, ist gut. Gut für uns alle, gut für die Stadt, gut für Olympia, gut für dich, für mich, einfach gut eben. Der leichteste Weg, „U-Bahnen zu bauen, Wohnungen für die mittelständische Bevölkerung zu errichten, Sportstätten zu schaffen.“ Wie aber bekommen, dieses Wundermittel zur Stadtsanierung, diese Heilkur für die gespaltene Metropole? Frau Laurien weiß es, denn Frau Laurien kennt sich, wir wissen es, aus in der Politik.

Das Zauberwort heißt: Persönliche Zuwendung. „Jedes IOC-Mitglied ist so wichtig wie Kohl, Bush und Gorbatschow zusammen. Wenn sie das nicht beachten, hat die Stadt keine Chance.“ Da staunte die Hauptstadtjournaille in der Führungs- und Verwaltungsakademie des Deutschen Sportbundes (DSB). Nichts hatte man bislang geahnt von der Schwere der nationalen Verantwortung und dem unverhofften Glanz, der da plötzlich auch auf den Schreiber fällt.

Zufrieden mit der Wirkung ihrer Worte fuhr Frau Laurien fort. Zunächst sei es das Allerwichtigste, rote Teppiche noch und nöcher bereitzuhalten, falls ein Exemplar dieser Dreifaltigkeits-Ausführung den Boden Berlins betritt. „Es kann nicht angehen, daß ein Weltmensch am Flughafen zwanzig Minuten auf sein Gepäck warten muß“, wettert sie über die Stoffeligkeit der Berliner Protokollführer. „Und wenn dieser Leichtathletik-Mensch kommt, dieser Nebiolo, dann legen wir eben drei Teppiche übereinander. Die kleinste Unannehmlichkeit kann sich negativ auswirken. Sie wissen doch, wie das geht, das ist doch nur allzu menschlich.“

Nicht zu unterschätzen sei die Rolle der Ehefrauen. Frau Samaranch, die Frau des IOC-Chefs zum Beispiel, mußte Unerhörtes aushalten: Als sie bei der Porzellanmanufaktur KPM ein Service erstand, wartete sie ganze acht Wochen, bis es endlich ankam. Ein Unding! „Mehrfach mußte ich sie am Telefon beschwichtigen, so gedemütigt fühlte sie sich“, berichtete Frau Laurien von der Psycho-Folter gegen die IOC-Gemahlin. „Solche Dinge müssen mit der Diplomatenpost geschickt werden.“ Gar nicht auszudenken, wie oft nun Frau Bach, Gattin des deutschen IOC- Mitglieds Thomas Bach, Frau Samaranch im Tennis gewinnen lassen muß, bevor deren Wut gegen Berlin verflogen ist. „Die Tätigkeit von Frau Bach ist unschätzbar“, dankte Frau Laurien. Doch auch sie selbst hatte nicht gezögert, den obersten IOC-Fürsten bei Laune zu halten: „Um den bin ich Tag und Nacht rumgeschwirrt.“ Eine Nachricht, die Berlins Olympiagegner in Heiterkeit versetzte: „Damit ist die Bewerbung gestorben.“ Ohnehin tauge das Konzept nicht sehr viel.

Doch Frau Laurien weiß um die Unwichtigkeit des Konzepts: Das zählt bei der Entscheidung höchstens fünf bis zehn Prozent, auch die Akzeptanz in der Bevölkerung ist zu vernachlässigen. Die Meinungen der IOC-Mitglieder hingegen wiegen zu 30-40 Prozent. Und deshalb eben sei jeder einzelne von denen samt Sippschaft zu behandeln wie „sieben Eier auf einer Erbse“. Aber wie, fragt die mittlerweile recht enthusiastische Hauptstadtpresse, sollen wir sie verwöhnen, ohne die strengen IOC-Regeln zu verletzen? Geschenke sind nur noch bis 200 Dollar erlaubt, zudem darf jede Stimme nur einmal eingeladen werden. Frau Laurien weiß Rat: „Wissen sie, diese Regeln sind äußerst interpretationsfähig. Es gibt beliebig viele Möglichkeiten, die Bestimmungen zu unterlaufen. Dann lädt man sie eben nicht zum offiziellen IOC-Besuch ein, sondern zu einer großen Sportveranstaltung als normale Funktionäre. So leicht geht das. Und statt großer Geschenke versuchen wir eben, die Mißlichkeiten des Alltags zu lindern. Wir machen uns eher subkutan beliebt.

Schon schwenkt ein begeisterter Medienvertreter mit Verschwörergesicht sein Deutschlandfähnchen („Wie kriegen wir Olympia?“), da trübt ein Laurienscher Einwand die Stimmung: Peking sei ein ernstzunehmender Konkurrent. Und warum? Weil sie werben mit ihrem „on the way to democracy.“ Eine Unerhörtheit, wo wir, Berlin, schließlich das Sinnbild sind für den internationalen Sieg der Demokratie!

Mist nur, daß es nicht so recht klappen will mit Zusammenwachsen. Die vielen Negativschlagzeilen über den Ausverkauf der Ex-DDR, die Unbezahlbarkeit der Wiedervereinigung, die sozialen Härten gegenüber den Ossis, solche bösen Berichte gefährden die Olympiabewerbung. Aber nun nimmer: Denn ab nun, so Frau Laurien, rechnet man mit uns. Wir, die Berichterstatter, haben Olympia in der Hand. Wir sind wichtig. Und für Frau Laurien noch mehr: „In jedem von Ihnen sehe ich einen Botschafter für Olympia.“ An die Arbeit also, Olympia ist unser. Botschafterin miß

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