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Nicht bloß Europa plus Trommeln

■ Eigenes und Fremdes: Graciela Paraskevaidis (Uruguay) und Yuval Shaked (Israel)

Graciela Paraskevaidis hat u.a. in Deutschland studiert und ist Komponistin und Professorin für Musikgeschichte und Formenlehre an der Nationaluniversität Uruguays.

taz: Wie groß ist die Bedeutung traditioneller Musik im südlichen Lateinamerika?

Graciela Paraskevaidis: Es gibt zwar die schwarzafrikanische Komponente, z.B. bei den Ritualen im Karneval. In Brasilien, Bolivien oder Mexiko ist man umgeben von der Tradition — bei uns aber muß man sie suchen. Die Indianer sind praktisch ausgerottet — seit dem 19. Jahrhundert existiert keine indianische Spur mehr, es existieren nur noch ein paar kleine zerstreute Gruppen. Man hat sie nicht nur körperlich, sondern auch geistig vernichtet. Das dauert schon 500 Jahre — deswegen sollte man überhaupt nicht feiern.

Wenn man aus diesen Gründen die europäischen Quellen ablehnt — im eigenen Land aber nur so wenig zu finden ist — hat man da nicht das Gefühl, in einem Vakuum zu sein?

Wir haben dieses Loch, dieses Vakuum: das ist eben die Aufgabe des Komponisten. Wir haben ein europäisches Erbe, das sehr stark ist, und das wirkt weiter auf uns — und es muß auch den Willen geben, mit diesem Loch was zu machen. Das ist eine schwere Identitätssuche. Man darf sich nicht vormachen, daß das Problem gelöst ist, wenn man ein musikalisches Zitat nimmt und ein paar Trommeln dazu dazu gibt.

Wie steht's bei Ihnen um die populäre Musik?

Die Popularmusik ist bei uns sehr stark und auch sehr gut — nur in Europa bleibt alles getrennt. Man nimmt sie nicht wahr. Dabei sind die Populärmusiker v.a. in Brasilien, z.B. Chico Buarke, wichtiger und kreativer als die E-Musik-Komponisten.

Juval Shaked ist 1955 in Israel geboren, studierte Gitarre, Klarinette und Komposition und lebte von 1981-85 in Deutschland. Jetzt lebt er in Israel, wo er schreibt, lehrt und komponiert.

taz: Israel ist ein sehr junges Land — hat sich dort eine eigenständige Musik entwickelt?

Yuval Shaked: Ich muß vorausschicken: würde ich das in Israel sagen, würden die Leute mich wahrscheinlich scharf kritisieren. Offiziell wird gesagt, daß die ersten Komponisten, die in den dreißiger Jahren mit den ersten Juden nach Israel kamen, aufgehört haben, wie in Europa zu komponieren, sondern daß sie eine neue israelische Kultur mitbegründen halfen. Sie haben — im Grunde wie im 19. Jahrhundert in Europa — versucht, ihre Kompositionstechniken auf hiesige Materialien zu projizieren: Sie nahmen allerlei jüdische Volksmelodien und flochten sie in sinfonische Werke ein.

In den fünfziger Jahren gab's eine Menge jüngerer Komponisten, die in Europa studiert hatten und sich nun sagten: Israelische Musik ist eigentlich kein Thema, wir komponieren, wie wir wollen — die israelische Kultur wird schon von selbst entstehen.

Seit zehn bis fünfzehn Jahren gibt es wieder die Tendenz, „mediterrane Musik“ zu komponieren: Einige arbeiten mit arabischer Musik, oder mit Liedern spanischer Juden — im Grunde zitieren sie alle eine Volksmelodie und bearbeiten sie gemäß westlicher Kompostionstechniken.

Was treibt die Avantgarde?

Im Grunde gibt es in Israel keine Avantgarde. Seit es die Postmoderne gibt, gibt es wieder tonale Musik, und alle feiern es. Die Phase der Reflexion nach der „heroischen Avantgarde“ der 50er, 60er Jahre mit Nono, Cage, Feldman, Ligeti wurde in Israel übersprungen. Fragen: Wilfried Wiemer

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