: Die Duchesnay im Disneyland
■ Nach der Weltmeisterschaft in Oakland wechseln die großen Stars des Eiskunstlaufs ins Profilager: Tourneen, Shows und Holidays on Ice bieten wirklich lukrative Chancen nur für die Besten
Oakland/Berlin (dpa/taz) — Die Weltmeisterschaft in Oakland ist — so kurz nach den Olympischen Spielen — nicht viel mehr als eine Börse zur Wertsteigerung. Die Ware: Eiskunstläufer. Eine Ware, die sich sehen lassen kann. Und gesehen werden will: In den USA ist ein gewaltiges Publikum ganz verrückt nach den glimmernden Ice-Shows.
So tanzten und glitschten die Eiskünstler in Kalifornien vor den Augen der zahlreichen Show-Einkäufer in erster Linie um Verträge und Prämien. Am besten schnitten die Läufer der GUS ab: Im Eistanz, Paarlauf und bei den Herren feierten die Olympiasieger Marina Klimowa/ Sergej Ponomarenko, Natalia Mischkutionok/Artur Dmitriew und Viktor Petrenko, der den dreimaligen Weltmeister Kurt Browning auf Silber verwies, letzte Triumphe im Amateurlager.
Ab sofort sind die siegreichen Gussen alle Großverdiener: „Wenn man ganz oben aufs Treppchen gelangt und dazu noch attraktiv läuft, kann man schon Millionär werden, lockt Siegfried Dietrich, Veranstalter der „Gala on Ice“. Das Ehepaar Klimova/Ponomarenko hat sich schon entschieden: Die begnadeten Eistänzer vermarkten ihre Titel sowohl in den zahlreichen Shows der USA als auch in der russischen „All Star Show“. Auch ihre langjährigen Konkurrenten, die einst avantgardistischen Geschwister Duchesnay, gehören trotz ihrer enttäuschenden Olympia-Vorstellung und der WM- Absage zu den gefragtesten Lieblingen der Branche. Ihr Ex-Trainer Martin Skotnicky berichtet von dem geschäftstüchtigen Paar: „Sie sind freie Unternehmer und haben etwa 65 Schaulauf-Auftritte in den kommenden Monaten.“ Pro Auftritt kassieren sie rund 30.000 Mark. Parallel verhandeln die Weltmeister noch mit „Euro-Disney“ in Paris über ein weiteres einträgliches Engagement. Vielleicht darf man ja schon bald die Befreiungskämpferin Isabelle als Mickymaus bewundern, geführt von Revolutionsheld Paul im Goofy-Kostüm.
Die US-Show „Stars on Ice“ wirbt um Vizeweltmeister Kurt Browning, doch der zögert noch. Wie Olympiasiegerin Kristi Yamaguchi weiß er Werbeverträge zu schätzen. Zudem locken die Olympischen Spiele in Lillehammer als erneute Chance, den Marktwert in kurzer Zeit zu steigern. „Alle erwarten eine klare Entscheidung von uns, doch es ist eine besondere Situation. So schnell konnte man noch nie wieder an Olympischen Spielen teilnehmen“, schwankt Browning, der aber „alles Geld, das mir angeboten wird“, gerne nimmt.
Beim Manager von Kristi Yamaguchi sind schon in der Nacht ihres Olympiasieges sieben Werbeangebote eingegangen. Mittlerweile gibt sie Namen und Konterfei für Ketchup, Cornflakes, Mineralwasser und Dosensuppen her. „Vom Marketing-Standpunkt aus hat Kristi alles zu bieten: sie ist eine phänomenale Athletin, sie ist ein großes Kind und sieht gut aus“, sagt Manager Albrecht und hofft nach der WM auf neue Abschlüsse, obwohl die Kalifornierin längst nicht jenes Charisma einer Katarina Witt hat.
Denn Lovely Kati, die zweifache Olympiasiegerin von 1984 und 1988, ist nach wie vor eine der begehrtesten und teuersten Läuferinnen der Welt. Und neben den 70er Jahre-Altstars Marika Kilius/Hans- Jürgen Bäumler und später Ex-Europameister Norbert Schramm die einzige Deutsche, die richtig Geld macht. Denn Titel allein genügen nicht — ohne Ausstrahlung kein Angebot. Eine bittere Erkenntnis für die biedere Vize-Europameisterin Marina Kielmann: „Ich habe mehrere Firmen angeschrieben, doch meistens Absagen erhalten.“
Auch für den Rest der deutschen Equipe besteht in absehbarer Zeit keine Chance auf Ruhm und mithin auf Geld. Abgesehen von den Paarläufern Peggy Schwarz/Alexander König (Rang sechs) ist der 10. Platz zur unüberwindlichen Mauer geworden. Ihre Paarlauf-Kollegen Anuschka Gläser/Stefan Pfrengle wurden 13., die Essener Eistänzer Jennifer Goolsbee/Hendryk Schamberger 11. und der Berliner Mirko Eichhorn gar nur 15. Bei den Frauen landeten die EM-Zweite bzw. Dritte, Marina Kielmann und Patricia Neske, schon im Originalprogramm nur auf den Rängen 13 und neun. Ein Abschneiden, das die Funktionäre der Deutschen Eislauf-Union in tiefe Rechtfertigungskrisen stürzte: „Irgendeiner muß ja das Schlußlicht sein, und jetzt sind wir es“, sagte Präsident Wolf Dieter Montag. Und Sportdirektor Peter Krick rang offenbar um die richtigen Worte: „Es wäre falsch, wie der Frosch in der Milch herumzuschwimmen und auf Panik zu machen.“ miß
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