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Bodenreform heute

Maden im Speckgürtel rund um Berlin  ■ Von Gabriele Goettle

Nach dem Sieg der kapitalistischen Produktionsverhältnisse wurde die DDR, um die Periode des Übergangs vom Sozialismus zum Kapitalismus zu verkürzen, mit einem umfassenden Netz marktwirtschaftlicher Umstrukturierungen und Auflagen überzogen. Dabei sichtete und taxierte man zugleich den zukünftigen Wert der Beute. Es zeigte sich recht bald, daß es eigentlich nur ein einziges Erbstück gab, das ohne weitere Investition auf Weltmarktniveau kommen würde: der Boden. Insofern wurde eine entsprechende Reform zügig, wenn auch gegen den erklärten Willen des betroffenen Volkes, eingeleitet und durchgesetzt. Bisher volkseigener und somit wertlos gewesener Boden wurde seiner marktgerechten Bestimmung als Immobilie wieder zugeführt. Von da an wurde er wahrhaft ertragreich. Im Zentrum, im Osten der Stadt, bewegen sich die Quadratmeterpreise inzwischen auf vierzigtausendmark zu. Aber auch weiter draußen, im „Speckgürtel“, wie der Grünstreifen rund um die Stadt im Amtsjargon genannt wird, steigen die Grundstückspreise stetig, wenn auch für clevere Spekulanten noch so manches Schnäppchen zu machen ist.

In Zeiten international zusammenbrechender Immobilienmärkte bildet das neu entstehende Deutschland, und insbesondere die Gründerstimmung in der zukünftigen Hauptstadt, einen vollkommen unerwarteten Glücksfall. Den internationalen Immobilienmaklern und anderen Spekulanten bietet sich hier der weltweit attraktivste Markt und Gewinnsteigerungen bis weit ins nächste Jahrtausend hinein. Die Geschäfte selbst gestalten sich offensichtlich auch recht einfach. Ganze Volkseigene Betriebe auf großen Grundstücksflächen wandern zu leicht erschwinglichen Preisen von der Treuhand in den Spekulantenmund. Der Käufer übernimmt leichten Herzens die Auflage, drei Jahre lang das erworbene Werk vorschriftsmäßig und sozial verträglich zu betreiben. Weiß er doch, daß das Eigentliche der Boden ist. Und der bleibt. Alles, was sich darüber erhebt, Fabrikationshallen, Arbeitsstätten, Arbeiter, Maschinen, Produkte, ist unerheblich, wertloser Plunder und wird am Fälligkeitsdatum umstandslos abgebaut. Sozialplan und alles inklusive, springt immer noch ein unerhörter Gewinn aus ihm heraus.

Bodenreform gestern

Zwar heißt es im Abschnitt III des Potsdamer Abkommens: „Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet und auch andere Maßnahmen getroffen, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der Welt bedrohen kann“, aber ernstgemeinte antifaschistische Maßnahmen wurden nur in der sowjetisch verwalteten Zone Deutschlands durchgeführt. Mit der Bodenreform 1945 enteignete man entschädigungslos adlige und bürgerliche Großgrundbesitzer, exponierte Nazifunktionäre, Kriegsverbrecher, Großkonzerne, Banken und faschistische Organisationen. Fast dreieinhalb Millionen Hektar Land wurden neu verteilt, das meiste an landarme und landlose Bauern, 530 volkseigene Güter entstanden. Auf diese Weise waren nicht nur die ökonomischen und militärischen Stützen des Faschismus in diesem Teil des Landes entwaffnet, nebenbei hatte man auch die Genugtuung, endlich einmal das 1848 und 1918 Versäumte nachholen zu können. Das jahrhundertelange Bauernlegen, die Ausbeutung von Bauern und Arbeitern wurde ein wenig gerächt.

Volkseigenes Gut heute

Auf der Insel Borneo kann der wagemutige Golfer besonders originell einlochen, im „Prison Golf Club“:

„... man checkt ein wie ein Verurteilter, spielt zwischen Stacheldraht und Wachtürmen, und 1.000 Strafgefangene kiebitzen heftig. Ein tropisch schöner, etwas enger 9-Löcher-Platz, 2.766m lang und Par 36 — mit Lotoseichen, Urwaldbäumen und excellentem Gras. Kein Wunder, die Greenkeeper sind die Lebenslänglichen.“ (Golf Reisejahrbuch 1992)

Ganz so exotisch wie in der ehemaligen britischen Kronkolonie geht es in unseren Ostkolonien nicht zu, aber dennoch scheint das Golfen abwechslungsreich und lohnenswert. Mindestens 25 Anträge für den Bau von Golfplätzen sind allein im Land Brandenburg gestellt worden, für 19 dieser Anträge sind die Raumordnungsverfahren bereits positiv abgeschlossen. Einer davon ist der Potsdamer Golfclub e.V. Tremmen. Seit Oktober 1990 genehmigt, sind die Arbeiten auf dem Gelände einer ehemaligen VEG-Pflanzenproduktion schon sichtbar fortgeschritten. „Greenkeeper“ übrigens sind der ehemalige Chef der „Pflanze“ und einige seiner Traktoristen. Zusammen bilden sie eine kleine Golfplatzpflegebrigade.

Später, wenn die 36-Loch-Anlage auf dem 100 Hektar großen Gelände mit Karpfenteich, reizlosem Herrenhaus und Wirtschaftsgebäuden fertiggestellt und umgebaut sein wird, dann gibt es für die Lebenslänglichen nur noch wenig zu tun an Rasen, Obstbäumen, Hecken und Wäldchen. Ob dann von den acht festangestellten Arbeitskräften noch alle gebraucht werden, ist zu beweifeln, und auch die Landarbeiterinnen, ihres Gutes enteignet, werden nur ausnahmsweise auf dem Golfplatz einen Verdienst finden.

Das Eigentum

Ebenso wie der wirkliche Eigentümer, so bleibt oft auch der eigentliche Zweck von Immobilien im Dunkeln. Boden und Gebäude jedenfalls werden, nach anfänglichem Pachtvertrag auf 30 Jahre, später dann von einer „Südstern Sportanlagen GmbH“ käuflich erworben. Sie ist die Verwaltungsgesellschaft des Potsdamer Golf-Club e.V. und ging hervor aus der „Südstern Bauträger GmbH“, die sich ihrerseits auf dem Gebiet der Altbausanierung gewinnbringend betätigt. Präsident des Golfclubs ist ein schwedischer Banker, und die drei Gesellschafter bestehen aus einem schwedischen Grafen, nach dessen Plänen der Golfplatz angelegt wird, und zwei Berliner Diplom-Ingenieuren.

Wie man hört, haben die beiden deutschen Herren von Golf keine Ahnung, dafür aber von den Dingen des Baugewerbes und allem, was damit zusammenhängt. Die konsequente und schöpferische Anwendung unternehmerischer Strategien beim Immobilienerwerb führen zu idealen Ergebnissen: Golf lernen, während der Wert des Bodens unter den Füßen wächst. Daß er das tut, dafür sorgt die Tatsache, daß er innerhalb des 50 Kilometer-Gürtels um Berlin liegt, jenes Gürtels, über den eine Art Sperre gegen die Bau- und Immobilienmafia verhängt wurde, wegen des zukünftigen Hauptstadtbedarfs. Der Ex-Geschäftsführer des Deutschen Golfclubs sagte unlängst in einem Interview mit 'Holiday‘: „Es ist jedem unbenommen, sein Geld in eine exclusive Immobilie zu stecken, und nichts anderes sind Golfclubs.“

Golfplatzanlagen auf Bauerwartungsland zum Zwecke der Immobiliensicherung, sind sicher nicht das, womit die zuständigen Behörden in den neuen Bundesländern hellsichtig rechnen. Aber wenigstens von den Naturschutzbehörden wäre normalerweise ein Einspruch zu erwarten gegen die Behauptung, der Antragsteller plane ein ökologisch nützliches Projekt (zumeist noch auf Böden, die keineswegs gülledurchtränkte, verseuchte Großfelder sind, sondern Grünland waren, Obstplantagen oder in seenreichen Landschaftsschutzgebieten liegen).

Worte, wie die des Präsidenten vom Landesgolfverband in den neuen Bundesländern, scheinen jedenfalls ihr Ziel nicht zu verfehlen: „In strukturschwachen Gemeinden“ werden endlich „stillgelegte Flächen und unrentabel genutzte Wiesen reaktiviert, verfallene Gebäude wieder instandgesetzt und neuen Nutzungen zugeführt“, was zur „Wiederbelebung einer lang vernachlässigten Landschaft und Infrastuktur“ führe. Andere Interessenten preisen die „positive Funktion dieses Freizeitsports mit ökologischem Anspruch“, der zugleich auch eine „ökologische Bereicherung für den Freizeitwert der Millionenmetropole“ darstelle usw., „wäre da nicht ein Faktor, der vielen Betreibergesellschaften einen Strich durch ihre Planungen gemacht hat, der Naturschutz.“

Ist das wirklich so? Wie kommt es zu 19 Genehmigungen von vorwiegend sehr großen Anlagen, rund um Berlin herum?

Die Naturschutzbehörde

A: Ist dort der Naturschutz? Hier ist Goettle von der Tageszeitung.

B: Ja, hier sind Sie richtig.

A: Ich habe da eine Frage zum Golfplatz bei Tremmen, ist das richtig, was ich gehört habe, nämlich, daß Sie damals bei den Vorgesprächen zum Raumordnungsverfahren übergangen worden sind?

B: Eh, Moment mal. Da muß ich erst... (hält die Sprechmuschel seines Hörers zu, spricht gedämpft, aber deutlich mit jemandem), da ist eine Frau vom Tagesspiegel dran, die haben irgendwas läuten hören, daß wir damals Probleme hatten mit dem Golfplatz Tremmen, was soll ich der denn jetzt sagen? Ich weiß auch gar nicht, was sie will... (und wieder zu mir): Moment, ich geb Sie mal an einen Kollegen weiter, der das damals bearbeitet hat.

C: Guten Tag, ich höre gerade von meinem Kollegen... also, da ist gar nichts dran an dem Gerücht, das ist alles ganz normal gelaufen, und wir waren mit dabei. Haben sogar verhindert, daß sie sich ausdehnen ins Seengebiet rein, das ist ja schon seit den fünfziger Jahren Landschaftsschutzgebiet, und dann haben wir auch noch andere Auflagen gemacht.

A: Was für Auflagen?

C: Na ja, sie wollten ursprünglich ja keinen Baum dort fällen, dann war's aber doch nötig, und dafür sollten Hecken angelegt werden, aber das ist noch nicht geschehen. Wird alles überprüft von uns.

A: Es ist also alles bestens?

C: Ja, das läuft ganz normal, keinerlei Probleme.

A: Vielen Dank für die Auskunft, Wiederhören.

Die Grüns

So nennt der Golfer das, was die Trittfestigkeit von Auslegwaren und eine Farbe wie Waldmeisterpudding hat. Riesige Flächen werden mit diesen Fertigrasenmatten belegt. Er ist eineinhalb Jahre alt zum Zeitpunkt der Verlegung, wird in holländischen Agrarfabriken gezüchtet und hat später dann, nach dem Verwachsen mit dem Unterboden, eine stets vorgeschriebene Höhe von etwa fünf Millimetern zu haben. Die schon erwähnten Werktätigen aus der ehemals sozialistischen Landwirtschaft haben alle Hände voll zu tun, das Gelände bespielbar zu machen. Es dürfen sich weder Maulwürfe noch Insekten, Moose oder Unkräuter ansiedeln, also müssen intensiv Insektizid, Fungizid und Herbizid eingesetzt werden. Das alles sickert ins Grundwasser ein, wird in die Entwässerungsgräben und Seen geschwemmt, woran man allerdings auch vor der Wende keinen Anstoß nahm.

Bei den gefällten Bäumen handelt es sich unter anderem um „diverse umsturzgefährdete Pappeln“. Leider, sie „hätten Grünanlagen verschattet und Golfer gefährdet“. Jedoch, so der Golfclub: „Bei allen Aktionen stand im Vordergrund, weite Teile des alten Baumbestandes zu erhalten. Auch Teile der Obstplantage wurden nur in den Bereichen gerodet, die für die Anlage der Fairways im Wege standen.“

Im Wege stand auch der Grundwasserspiegel. Er mußte abgesenkt werden, damit der Spieler in den tiefer gelegten Abschlagplätzen nicht im Wasser steht. „Für die Bunker-, Grün- und Fairway-Entwässerungen sind insgesamt über zehn Kilometer Drainageleitungen verlegt worden, darüber hinaus eine Beregnungsanlage mit Versink-Beregnern installiert, die auf Knopfdruck die Grüns und Abschläge bewässert.“ Das Drainagewasser wird über eine Pumpanlage in die Havel abgeleitet. Der Karpfenteich wurde entschlammt, Nistkästen angebracht. Man wünscht sich Bläßhühner, Enten, ja sogar Fischreiher an die „Wasserhindernisse“. Wollgräser, Binsen, Libellen und Frösche sollen heimisch werden. „Ein Storchennest auf dem Dach des Clubgebäudes wurde bereits aufgestellt, und wir hoffen auf das erste Brutpaar in diesem Frühjahr“.

Bei all dem haben die ganze Zeit über „circa 30 bis vierzig Arbeiter aus der Umgebung tatkräftig mitgeholfen“, und „so war auch die Freude groß, als Graf Oxenstierna die Arbeitskräfte der Gemeinde Tremmen mit einem Scheck über einen fünfstelligen Betrag belohnte. Die Rechnungssumme entsprach immerhin zehn Prozent des Gesamtetats der Gemeinde.“ Und Herr Seelenbinder, Bürgermeister der 762 Seelengemeinde, läßt sich nur allzu gerne vom Golfclub den Bären aufbinden, man habe auch zukünftig reichlich Arbeit zu vergeben, und das ganze Dorf, samt Wirtshaus und Läden, brauche sich keinerlei Zukunftssorgen zu machen. Zuversichtlich sind auch die Golfer. Ostern gibt es die erste Veranstaltung der Saison, „vielleicht kann schon bald das erste Storchenturnier durchgeführt werden“.

Die Selbstdarstellung

„Eine Umstellung für die Altberliner Golfer wird es sein, daß jetzt auch das Wasserhindernis, welches es bis dato in Berlin nicht gab, in den Spielgedanken mit aufzunehmen ist.“

Über dem Spielgedanken wird aber die Arbeit keineswegs vergessen: „Jeder, der sich mit Golfplatzbau beschäftigt hat, weiß, daß es für einen Unternehmer nicht lukrativ ist, nur einen Golfplatz zu bauen. Was letzten Endes für den Investor Geld bringt, ist das Bauland rund um den Platz.“ Dort wiederum darf das Clubmitglied zwar entspannen, aber sich nicht gehen lassen:

„Kleiderordnung:

Fußball- oder Tennisshorts (Hot Pants), Badekleidung und Jogging- oder Trainigsanzüge, sowie Trägerhemden (Muscle-Shirts) sind keine adäquate Bekleidung für das Golfen.“

Dem Anfänger wird empfohlen: „Der eigene Garten, die Terrasse oder manch ein Wohnzimmer können dazu dienen, die Muskulatur über den Winter geschmeidig zu halten und das Gefühl für den eigenen Golfschwung zu erhalten. Diese Art des Übens kann sogar von Vorteil sein, da der Golfer ohne Ball nicht so verkrampft schwingt.“ Sollte jedoch der Gebrauch des Balles unvermeidlich sein, beispielsweise auf dem Platz, so beachte der Golfer folgendes:

„Um einen Hook zu spielen, sprechen Sie den Ball ganz normal an.“

Aber nicht nur die Bälle, auch die Spieler werden angesprochen:

„Bitte denken Sie daran: GOOD GOLF IS FAST GOLF.

Warten Sie nicht bis Sie angesprochen werden. Niemand holt Sie gern von der Spielbahn.“

Neben Inseraten von Immobilienhändlern, Banken, Hotelketten, Autoherstellern und der Schlemmeretage des KaDeWe inseriert auch ein Herr, der immer noch keinen Anschluß gefunden zu haben scheint:

„Nachdem ich (35 Jahre, Golfer und Tennisspieler, kulturinteressiert) nicht nur etliche Runden über Golfplätze gezogen bin, sondern auch alle Bars nach Dir abgesucht habe, rufe ich Dich (Traumfrau mit Charakter) nun hier zu interessanten Verabredungen auf.“

Der Vorstand des Potsdamer Golfclub e.V., Herr Narr, zeigt mit wenigen Worten, was Lebensart ist. Er fordert seine Leser auf, sich nicht „hinter dem Kamin“ zu verkriechen, wobei vielleicht die Wendung „hinter dem offenen Kamin“ noch gelungener gewesen wäre.

Und wer nun noch so kleinbürgerlich ist, nach den Preisen zu fragen, hier sind sie:

16.500,—DM Anleihe, 1.340,—DM Jahresbeitrag, 500,—DM Spende.

Herr Seibt allerdings, Fliesenleger aus Babelsberg und weithin einziger golfender Neubundesbürger, bekam die Ostdeutschen-Sonderkondition eingeräumt. Er durfte die „Anleihegebühr“ bei der Aufnahme zu 25 Prozent entrichten und darf den Rest in drei Jahresraten abstottern; ohne Zinsanspruch allerdings.

(Alle Zitate aus den Magazinen 'GOLF, in Berlin und Brandenburg‘ und dem 'Potsdamer Golf Club magazin‘)

Vor Ort

Dieser ganze Text verdankt sich dem Mißgeschick, daß wir uns auf einer kleinen Landstraße im Havelland verfahren hatten und dabei auf ein Hinweisschild zu einem Golfplatz stießen. Amüsiert über die abgelegene Lage, beschlossen wir hinzufahren.

Nach einer längeren Wegstrecke durch unglaubliche Schlaglöcher hindurch, an riesigen Feldern vorbei, an Obstbäumen und Hecken, tauchte endlich links ein desolates Landhaus im Gestrüpp auf. Dahinter liegt der Golfplatz beziehungsweise das, was schon von ihm existiert, insbesondere offenbar eine große Übungsfläche, die schon deshalb für den Moment ausreichen würde, weil so gut wie alle der inzwischen 320 Mitglieder Anfänger sind.

Einsam stand ein Mann auf einer rasenschonenden Sisalfußmatte und schlug von der neben ihm liegenden Matte mit heftigem Schwung gelbe und weiße Bälle davon. Ich sah ihm eine Weile zu. Der Rasen war übersät mit Hunderten von Bällen. Man hätte glauben können, die Krokusse blühen.

Ein Trüppchen Herren mit fahrbaren Golftaschen passierte plaudernd einige arbeitende Frauen in Hosen und Stiefeln, als wären sie Luft. An der Art, wie die sich bückten und reckten, war zu sehen, daß ihnen solche Arbeiten vertraut sind, nicht aber, absolut ignoriert zu werden. Ringsum versanken die Wege in Pfützen und Matsch, aus einem langgestreckten Gebäude im LPG-Betonstallstil erklangen Hammerschläge. Es sah nach Umbau aus für den menschlichen Gebrauch.

Ich folgte den Herren zu einer Art Café-Bar, dem derzeitigen Clubhaus. Drinnen herrschten hochsommerliche Temperaturen, ein paar Tische waren mit weißen Tüchern bedeckt, es roch nach Wein und Rauch.

Eine Weile hörte ich zu wie die Bedienung hinter der Theke telefonierte. Es ging um ein Vorstellungsgespräch im KaDeWe, zu dem sie ausführliche Empfehlungen gab. Die Atmosphäre hatte etwas Einschläferndes. Hätte nicht plötzlich ein reizendes, schwarzweiß geflecktes Hündchen zu meinen Füßen gesessen, wäre ich gegangen. So aber sah ich ihm zu, wie er meine Stiefel beschnupperte und sich dann mit erwartungsvollem Blick und erhobenen Pfoten auf seine Hinterbeine setzte. Der possierliche Anblick wurde allerdings ein wenig gestört durch die Hervorbringung eines steil aufragenden, feuerroten Gliedes. Glücklicherweise wurde in diesem Moment das Telefonat beendet, mir auf meine Frage nach einer kompetenten Auskunfsperson der englische Golflehrer Simon Fisher geschickt, ein zierlicher braunhaariger Herr, Mitte dreißig. Er informierte mich freundlich über die kurze Geschichte des Clubs, führte mich hinters Haus und wies mit einer weit ausholenden Bewegung über das Gelände, erklärte stolz, daß ein „9-Loch-Platz bereits bespielbar“ sei und fast trocken.

Später erfuhr ich, daß die Raupen des Meliorationstrupps aus Nauen zum Teil auf alten Panzergestellen der Roten Armee aufgebaut sind. Was zur Befreiung vom Faschismus taugte, rollte also fast 50 Jahre später durch den märkischen Sand, um für das Kapital ein elftes Loch auszuheben, „ein Par 5 mit 550m Länge. Über verschiedene Wasserläufe mit Zwischen-Fairways führt ein Dogloeg nach rechts durch alten Baumbestand auf das durch Bunker verteidigte Grün.“

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