: Le Pen sorgt für Ministerrücktritt
Rechtsextreme stimmten bei Wahl der Regionalratspräsidenten zur Vergeltung für die Linke/ Die Linksunion ist endgültig vom Tisch/ Zweiter Wahlgang bei den französischen Regionalwahlen ■ Aus Paris Bettina Kaps
Der Coup sitzt. Indem die Front National bei der Wahl der Regionalpräsidenten offenbar für zwei Mitglieder der sozialistischen Pariser Regierung stimmte, hat sie das politische Leben in Frankreich restlos vergiftet und sogar einen Minister gekippt. Der Gründer der Zentrumsbewegung „France Unie“ (Vereinigtes Frankreich), Jean-Pierre Soisson, wurde am Samstag als Minister des öffentlichen Dienstes gefeuert, weil er an seinem neuen Amt als Präsident von Burgund festhält. Der Vorwurf: Paktieren mit der FN.
Soisson hatte den Kandidaten der konservativen „Union für Frankreich“ (UPF) im dritten Wahlgang völlig überraschend mit einer Stimme geschlagen. Die FN erklärte nach der geheimen Abstimmung, die UPF sei „bestraft“ worden, weil sie Allianzen mit den Rechtsextremen ablehnt. „Wir hatten sie gewarnt. Das wird der Rechten beibringen, daß sie mit uns rechnen muß“, erklärte schadenfroh der 24jährige FN-Regionalabgeordnete Regis de la Croix-Vaubois. Ein Kollege bestätigte: „In Burgund und in Lothringen haben wir zwei Minister der Öffnung wählen lassen.“ Soisson hingegen fand wenig Glauben für seine Version, wonach ihn unzufriedene UPF- Abgeordnete unterstützt hätten.
Auch auf dem neugewählten Präsidenten von Lothringen, Postminister Jean-Marie Rausch, lastet der Verdacht, er könne seinen Sieg über die UPF einigen FN-Stimmen verdanken. In Metz betonte die FN allerdings, sie habe für den konservativen Gegenkandidaten gestimmt. Rausch ist das Amt ebenfalls wichtiger als eine blütenreine Weste. Im Gegensatz zu Soisson hat er die Unterstützung der Regierung, die von den Konservativen deshalb als „unmoralisch“ beschimpft wird. Soisson und Rausch stammen aus dem liberalkonservativen Lager; 1988 zogen sie als „Minister der Öffnung“ in die sozialistische Regierung ein. Durch ihr starrköpfiges Festhalten am Amt des Regionalpräsidenten haben die beiden Politiker den Mißkredit der Regierung weiter vergrößert.
Die Konservativen haben zwar zwei Regionen verloren, dafür ist die „Moral“ wieder auf ihrer Seite: Die UPF stellt jetzt 15 Regionalpräsidenten, die alle ohne Unterstützung der FN gewählt wurden. Vor sechs Jahren waren die Konservativen in sieben Regionen Bündnisse mit der FN eingegangen. Die PS konnte am Freitag das Limousin wiedererobern; in vier Regionen muß noch gewählt werden.
Der Mythos von der „Union der Linken“ ist unterdessen endgültig geplatzt: In vielen Regionen gaben die Kommunisten ihre „republikanische Disziplin“ auf und weigerten sich, den sozialistischen Kandidaten zu unterstützen. Die Umweltparteien verfolgten keine klare Strategie, sondern verteilten ihre Stimmen in alle Richtungen. Umweltminister Lalonde, Chef von Generation Ecologie, bewies, daß er sich nicht zur Solidarität mit der Regierung verpflichtet fühlt. Die Solidarität der Öko-Politiker war ebenfalls begrenzt. Im Languedoc-Roussillon stimmten die Grünen gegen den Kandidaten von Generation Ecologie und für den konservativen Politiker Jacques Blanc, der die letzten sechs Jahre mit der FN regiert hatte.
Unter dem Eindruck völliger Zersplitterung und zerbrechender Solidaritäten gingen die Franzosen am Sonntag erneut zur Wahl: Während für die Regionalwahlen Verhältniswahlrecht galt, fanden die Kantonalwahlen nach Mehrheitswahlrecht statt. In 1.423 Kantonen kam es zur Stichwahl. Im Rampenlicht standen dabei Premierministerin Cresson, Wirtschaftsminister Beregovoy und fünf weitere Regierungsmitglieder, die sich erneut dem Votum stellen mußten. Nach dem Desaster der Sozialisten bei den Regionalwahlen rechnen die Franzosen spätestens am Dienstag mit einer Entscheidung durch Präsident Mitterrand. Viele Sozialisten fordern den Rücktritt ihrer Parteigenossin Edith Cresson. Es fragt sich jedoch, welcher Politiker das sinkende Schiff ein Jahr vor den Parlamentswahlen noch übernehmen möchte. Cresson selbst will „Kräfte des Fortschritts“ in ihre Mannschaft einbinden, womit vor allem Öko-Politiker gemeint sind. Doch auch der Job des Ministers unter ihrer Regierung ist nicht mehr sehr attraktiv. Seit den Regionalwahlen werden die Sozialisten mehr und mehr isoliert.
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