Verfassungsschutz bald wieder entfesselt?

■ Heckelmann-Plan: Parlamentskontrolle über Verfassungsschutz soll eingeschränkt werden/ Neues VS-Gesetz stößt auf Widerstand der SPD

Berlin. Das Abgeordnetenhaus soll einige der Kontrollrechte über das Landesamt für Verfassungsschutz wieder verlieren, die die rot-grüne Koalition dem Parlament im Juli 1989 verschafft hatte. So soll der parlamentarische Verfassungsschutzausschuß nicht mehr das Recht haben, vom Senat »alle für seine Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateneinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zum Landesamt« verlangen zu können sowie »einzelne Dienstkräfte des Landesamtes zu hören«.

Ein von der Verwaltung des CDU-nahen Innensenators Dieter Heckelmann erarbeiteter Entwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz enthält nur noch die allgemeine Formulierung, daß der Ausschuß »Anspruch auf Unterrichtung« habe.

Daneben erlaubt die Novelle den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, von der Observation bis zur heimlichen Bild- und Tonaufzeichnung. Dies soll sowohl zum Zweck der Spionageabwehr wie auch zur Aufdeckung von »Bestrebungen« gestattet sein, die »gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind«. Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sollen ebenfalls erlaubt werden, bedürften aber der Genehmigung des Innensenators. Das heimliche Abhören des »in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Worts« erlaubt die Novelle, ähnlich wie das am Donnerstag verabschiedete Polizeigesetz, »wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist«.

Die Gesetzesnovelle, die bis Ende Oktober beschlossen werden soll, war Thema einer Klausurtagung, zu der sich am Wochenende die innenpolitischen Experten der Fraktionen von SPD und CDU getroffen hatten. Das Gesetz muß — ähnlich wie zuvor das Polizeigesetz — neu gefaßt werden, um dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgesetzes von 1983 Rechnung zu tragen. Der innenpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Hans-Georg Lorenz, kündigte an, daß seine Partei eine Reihe von Änderungen verlangen werde, bevor die Novelle ins Parlament eingebracht werden könne. Vor allem der Versuch, die Kontrollrechte des Parlaments zu beschneiden, sei »ziemlich dreist«, sagte Lorenz. Die SPD werde dies nicht akzeptieren.

Im Gegensatz zu Heckelmann will die SPD auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel stark einschränken. Außer bei der Spionageabwehr, so Lorenz, kämen diese Mittel für seine Fraktion »wahrscheinlich überhaupt nicht in Frage«. Lauschangriffe auf Wohnungen will die SPD ebenfalls »in bestimmten Bereichen« völlig ausschließen. Im Fall akuter Gefahren biete hier bereits das neue Polizeigesetz eine Ermächtigung zu derartigen Eingriffen. »Extreme Meinungen dürfen nicht mit solchen Mitteln bekämpft werden«, begründete Lorenz seine Haltung. Soweit extremistische Gruppen Straftaten planten, brauche der Verfassungsschutz nicht einzuschreiten. Dies sei vielmehr eine Aufgabe für die Polizei. hmt