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Schlagstockeinsätze können teuer werden

■ Finanzverwaltung erklärte sich zur Zahlung von Schmerzensgeld für polizeigeschädigte Pressefotografen bereit/ Lehrling bekommt 35.000 Mark wegen zerstörter Niere/ Regreßansprüche sind schwer durchzusetzen und ein langwieriges Geschäft

Berlin. Das Vorhaben der CDU, die Deeskalationsstratgie abzuschaffen, könnte die Polizei dazu ermuntern, bei Demonstrationseinsätzen noch wilder um sich zu knüppeln. Auftrieb bekommen dadurch vor allem solche Beamte, die schon jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Schutz ihrer Uniform wahllos von ihrem Schlagstock Gebrauch machen. Konsequenzen haben sie nicht zu befürchten, weil neunzig Prozent aller Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt mit dem Vermerk »unbekannt« eingestellt werden. Leidtragende sind die Opfer und die Steuerzahler.

Die einzige Möglichkeit für die Geschädigten, Schmerzensgeld zu bekommen, ist, das Land Berlin stellvertretend für die unbekannt gebliebenen Täter zur Kasse zu bitten. Bislang haben davon nur wenige Polizeiopfer Gebrauch gemacht, weil dies ein langwieriges Unterfangen ist und die Aussichten auf Erfolg nicht zum Besten gestellt sind. Nach Angaben des Referatsleiters der Selbstversicherungsstelle bei der Senatsverwaltung für Finanzen, Peter Badack, gehen in der Abteilung im Jahr über 8.000 Regreßansprüche von Berliner Bürgern ein. In der Mehrzahl handele es sich dabei jedoch um Schmerzensgeldforderungen von Autofahrern und Passanten gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder um Anträge auf Schadensersatz nach Wasserrohr- und Gasrohrbrüchen oder aber Grundstücksverunreinigungen. Die Zahl der Anträge nach Polizeieinsätzen hingegen sei »verschwindend gering«. Fünfzig Prozent davon würden abschlägig beschieden, schätzte Badack. Bei einer Ablehnung bleibe den Geschädigten nur das Zivilgericht.

In diesem Jahr hat die Selbstversicherungsstelle nur zwei Anträge im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen positiv beschieden. Es handelt sich dabei um die beiden freien Pressefotografen Detlev Konnerth und Sabine Sauer, die am 1. Mai 1990 in Kreuzberg von einem oder mehreren Polizeibeamten schwer mit Holzknüppeln mißhandelt worden waren (die taz berichtete mehrfach). Der Prozeß gegen die drei tatverdächtigen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt endete im vergangenen Oktober mit einem Freispruch. Insbesondere bei dem 34jährigen angeklagten Polizeiobermeister Andreas L., der bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist, stand es auf der Kippe zum Schuldspruch. Das Gericht stellte in seiner schriftlichen Urteilsbegründung fest, daß eine Täterschaft des Angeklagten L. im Hinblick auf die Mißhandelung von Konnerth »als wahrscheinlich anzusehen« sei, auch wenn dieser wegen verbleibender Zweifel habe freigesprochen werden müssen.

Konnerth war von den Polizeiknüppeln so zugerichtet worden, daß er mehrere große Platzwunden am Kopf, eine Gehirnerschütterung und Prellungen an Armen und Beinen davongetragen hatte. Seine Kollegin Sauer, die ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde ebenfalls zusammengeschlagen. Die Selbstversicherungsstelle der Senatsverwaltung für Finanzen, erklärte sich jetzt zur Zahlung von 6.000 und 2.500 Mark bereit. Begründet wurde die Entscheidung mit den Gesamtumständen des Falles, »inbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des Amtsgerichts« und damit, daß die beiden Fotografen während ihrer Berufsausübung geschädigt worden waren.

Ein Lehrling, dem ein unbekannt gebliebener Polizeibeamter am 1. Mai 1988 mit dem Knüppel eine Niere zerstört hatte, mußte erst vor Gericht ziehen, bevor er 35.000 Mark Schmerzensgeld zugesprochen bekam. Das Land Berlin hatte sich geweigert zu zahlen, indem es behauptete, der Polizeieinsatz sei rechtmäßig gewesen. Das Kammergericht war jedoch überzeugt, daß der Schlagstockeinsatz unrechtmäßig gewesen und der Verlust der Niere für den Geschädigten eine lebenslange »Gesundheitsbenachteilung« sei. Plutonia Plarre

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