piwik no script img

Das Funkemariechen spricht

■ Die FDP zur Bildungspolitik: Immer wieder gern gehört

Das Funkemariechen spricht Die FDP zur Bildungspolitik: Immer wieder gern gehört

Bildungspolitik, also das unqualifizierte Äußern ebensolcher Ressentiments gegen die BummelstudentInnen in der BRD, ist eigentlich ein beliebtes Sommerlochthema. Frau Margret Funke-Schmitt-Rink, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, hat aber nicht warten können und plädierte vor der Zeit für Studiengebühren bei Überschreiten der Regelstudienzeiten und Prämien für KurzzeitstudentInnen. Flankiert wird diese gern gehörte Forderung von einer Analyse des Wissenschafts rates, die besagt, daß die Studienzeiten immer länger und die AbsolventInnen immer älter würden.

Das überrascht uns sozusagen kaum. In der BRD ist die durchschnittliche Studentin, liebe Frau Funke-Schmitt-Rink, unverheiratet, auf Bafög oder entsprechende Mindestsummen von zu Hause angewiesen und einen nicht geringen Teil ihrer akademischen Jahre eher studienakzidentell beschäftigt: mit der Suche nach einem bezahlbaren Zimmer und einem der raren Praktikumsplätze zum Beispiel. Mit Nachfragen in der Uni-Bibliothek, ob die empfohlene Seminarlektüre (von der es jeweils leider nur ein Exemplar gibt) inzwischen frei geworden sei. Mit Aushilfsjobs, möglichst abends (Kellnern) oder nachts (Taxifahren), um u.a. Lehrmittel zu finanzieren, welche die Universitäten zu stellen sich außerstande sehen. Deutsche StudentInnen leben, anders als die so gern zitierten US-amerikanischen HochschülerInnen, nicht auf einem internatsartig organisierten Campus, schon gar nicht im Vorruhestand wie die ElitestudentInnen in Stanford oder Cambridge.

Aber es geht ja nicht um den Nachwuchs: „Die wirkliche Bildungskatastrophe“, so Frau Funke- Schmitt-Rink, „haben wir jetzt, da schon 30 Prozent der Schüler das Abitur machen. Wir müssen die Studentenströme steuern, und dazu brauchen wir Steuerungsinstrumente.“ Mit Strafzahlungen für lange Studienzeiten steuert man vor allem eins— zurück: Bildung als Schichtspezifikum. So bekommt die Tochter des Richters S., die, finanziell wohlausgestattet, ihr Studium in Kurzzeit absolviert, nach dem Willen der FDP noch eine Prämie dazu. Die Tochter der alleinerziehenden Buchhalterin M. wird spätestens beim ersten Obolus, der an den Staat zu entrichten ist, ihr Studium abbrechen müssen.

Das Bildungssystem der BRD weist unübersehbare Mängel auf — in der Ausstattung der Universitäten nämlich und der Trägheit des akademischen Überbaus. Trotzdem ist es in weiten Bereichen effektiv und „international konkurrenzfähig“ — und beiläufig Ergebnis einer der wenigen Demokratisierungsprozesse, welche die BRD sich als Eigenleistung anrechnen kann. Keineswegs neu ist der Versuch, die faktischen Mängel der Bildungspolitik durch „Steuerung der Studentenströme“ zu beheben. WählerInnen mit Abitur können der FDP natürlich nicht geheuer sein: Wer so dummdreist argumentiert, ist eigentlich auf AnalphabetInnen angewiesen. Elke Schmitter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen