Neue Vorwürfe gegen Polizei

■ 20 Flüchtlinge und Anwälte berichten von Schlägen und Verletzungen

Etliche Betroffene hatte das Anti- Rassismus-Büro über seine Flüchtlingsberatung ausfindig gemacht. Rund 40 Afrikaner aus Gambia, Senegal, Ghana und Nigeria saßen gestern im Naturfreundehaus in der Buchtstraße, um vor laufenden Kameras zu berichten, wie Bremer Polizisten sie auf dem 3. Revier geschlagen, getreten, gedemütigt und mit Elektroschocks malträtiert haben.

Der 18jährige Aziz aus Gambia zeigte eine Narbe am Oberschenkel: In der 20 Seiten starken Dokumentation, die das Anti-Rassismus-Büro gestern vorlegte, ist der jetzt noch deutlich sichtbare Fleck schon im Januar protokolliert worden — als damals noch frische knapp 25 Zentimeter lange Prellung. 20 ähnliche Fälle sind in der Broschüre dokumentiert.

Auch drei Rechtsanwälte saßen gestern der Presse gegenüber. Sie erzählten von den krassesten Fällen in ihrem Mandantenkreis, berichteten von ärztlichen Attesten und Zeugen. Der 22 Jahre alte Abdullay N. zum Beispiel war nach den Schlägen auf dem Revier gesundheitlich derart „angeschlagen“, daß er in der Psychiatrie in Bremen-Ost landete. Ärzte bescheinigen: Paranoia und einen völligen Vertrauensverlust, auch Freunden gegenüber.

Abdullays Rechtsanwalt Hans- Werner Leinweber erstattete Anzeige wegen Körperverletzung im Amt. Sein Mandant ließ dies aus lauter Angst jedoch erst zu, als er auf dem Weg in die Heimat war. „Ich habe eine ladungsfähige Adresse“, beteuerte Leinweber, als Zweifel angemeldet wurden, ob das zu erwartende Ermittlungsverfahren überhaupt Aussicht auf Erfolg haben werde.

Insgesamt haben die Anwälte erst drei Strafanzeigen gestellt. In allen anderen Fällen hätten ihrer Auffassung nach Ermittlungsverfahren wenig gebracht. Sie rieten ihren Mandanten davon ab. Gestern forderten sie Betroffene jedoch auf, über ihre Anwälte ähnliche Erlebnisse ebenfalls anzuzeigen.

Horst Wesemann, Sprecher der „Strafverteidiger-Initiative Bremen“, hielt die Schilderungen gerade in ihrer Häufigkeit für „glaubwürdig“. Er forderte ein „Rotationsprinzip“ für die Polizeiwachen, um dem „Chorpsgeist“ der Beamten entgegenzutreten.

Der Innensenator ließ unterdessen erklären, daß die Staatsanwaltschaft ermittle und daß er an einer rückhaltlosen Aufklärung interessiert sei. Innen-und Justizdeputation haben sich bereits mit den Vorwürfen beschäftigt. Der Polizeipräsident will in den nächsten Tagen ebenfalls eine Pressekonferenz geben. ra