: Staatsbesuch beim Schuldeneintreiber
■ Wedemeier und Walesa baten heimlich um Zahlungsaufschub / Kudella: „Ein Offenbarungseid“
Bremen und Polen stehen kurz vor dem Bankrott. Lech Walesa und Klaus Wedemeier haben gestern ein Inkassounternehmen besucht. Über die Gründe des Besuchs, der offensichtlich geheimgehalten werden sollte, wird noch spekuliert. Beide Politiker verweigerten jede Aussage.
So hatte es nicht in der Presseankündigung für den Staatsbesuch des polnischen Präsidenten in Bremen gestanden. Nach seiner Ankunft gegen 16.50 Uhr werde Walesa ins Parkhotel fahren, hatte es dort geheißen. Die Wahrheit ist nur durch einen Zufall ans Licht gekommen. Ein Amateurfilmer war dabei, als Klaus Wedemeier mit dem Staatsgast um 17.35 Uhr der gepanzerten Limousine entstieg und nach einem kurzen Rundumblick (s. Foto) im Hauseingang eines renommierten Inkassounternehmens an der Contrescarpe verschwand. Nach etwa einer Stunde verließen die beiden sichtlich angegriffen den Ort, um noch rechtzeitig zum Staatsempfang im Rathaus zu sein.
Auf Fragen nach dem Grund für den ungewöhnlichen Besuch reagierten beide Politiker gereizt. „Dazu gebe ich jetzt keine Auskunft“, verweigerte Klaus Wedemeier in bester Grobecker-Manier jede Aussage. Auch der polnische Präsident war zu diesem Thema nicht zu sprechen. Doch die Spekulationen gehen alle in dieselbe Richtung. „Offensichtlich wollten Wedemeier und Walesa um gut Wetter bitten“, meinte der Grüne Haushaltsexperte Dieter Mützelburg. „Es ist ja kein Geheimnis, daß es Bremen und Polen finanziell ziemlich schlecht geht.“
Es wird vermutet, daß der eigentliche Grund für den Besuch Walesas in Bremen der Termin bei dem Inkassounternehmen gewesen sei. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, bei säumigen Kreditnehmern Zinsen und Abtrag einzutreiben. Bremen und Polen eint eine extrem angespannte Haushaltslage. Da liegt es nahe, daß die beiden Großschuldner um Aufschub bitten.
„Bremen hat 15,6 Milliarden Mark Schulden. Das ist der Stand vom 31.12. des vergangenen Jahres“, sagte der Sprecher des Finanzsenators Jürgen Hartwig gestern auf Anfrage. Damit hat das kleine Bremen in der Relation wesentlich mehr Verbindlichkeiten als die Republik Polen, die in der Öffentlichkeit mit „Schuldnerland“ charakterisiert wird. Polen steht bei den westlichen Staaten mit einem Betrag in der Kreide, der nur dreimal so hoch ist wie der bremische, etwa 45 Milliarden Mark. Dazu kommen noch 17 Milliarden bei privaten Banken. Es liegt nahe, daß sich Lech Walesa und Klaus Wedemeier zu gerade diesem Thema ausgetauscht haben.
„Wenn es stimmt, daß der Präsident des Senats bei einem Geldeintreiber auf den Knien gelegen hat, dann ist das eine Bankrotterklärung ersten Grades“, wetterte der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Kudella. Nur mühsam konnte der Oppositionsführer seine Erregung beim Abendessen für den Staatsgast im Zaume halten. „Wenn Wedemeier so weitermacht, dann überlebt Bremens Selbständigkeit diese Legislaturperiode nicht.“
Die Ampelpartner von FDP und Grünen reagierten dagegen gelassen. „Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang“, meinte Wirtschaftssenator Claus Jäger. Und sein Kollege Fücks: „Die Coop ist für eine Mark an einen Brötchenbäcker verkauft worden, da wird ein Bundesland doch über Modalitäten in der Bedienung des Schuldendienstes sprechen können.“ J.G.
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