»Ihnen hat er auch vergessen, der Mörder!«

■ Ein Wiedersehen mit dem wahren Kommissar Kottan im fsk-Kino

Ein Briefträger findet eine Rentnerin tot in ihrer Wohnung auf — ein langer Schraubenzieher ragt aus ihrer Brust. Das ist unangenehm für den Briefträger, der die Rente der Toten in der Tasche hat und sie gerne los wäre. Das ist unangenehm für Kommissar Kottan und seinen Kollegen Schrammel, die lieber auf dem Kommissariat säßen und Kaffee tränken, als sich in der Hartlgasse 16a mit einem Mord herumzuschlagen. »Ist sie wirklich tot?« will der Briefträger wissen, »ich muß mich darauf verlassen können, wegen der Rente.« »Die ist nicht von alleine g'storben«, antwortet Schrammel und starrt mißmutig auf den blutverschmierten Schraubenzieher, »die wurde erstochen!« »Habe die Ehre«, stöhnt Kottan, »also erstochen!«

Kommissar Kottan, Held der österreichischen Kriminalfilmreihe Kottan ermittelt ist sauer. Denn ein Mord bedeutet Arbeit, Überstunden, Papierkram. Gereizt beginnt er mit den Ermittlungen. »Haben Sie einen Verdacht, wer oder wann?« fragt er mundfaul die Nachbarn der Toten. Natürlich haben die einen Verdacht: in dem Haus wohnen Jugoslawen, und ein Jugoslawe ist einem Österreicher immer verdächtig. »Unter sechzig Jugoslawen werde ich einen Mörder schon finden«, frohlockt Schrammel.

Während sich Kottan in seiner bornierten Art auf die falsche Fährte begibt, führen uns Helmut Zenker (Buch) und Peter Patzak (Regie) den täglichen Kleinkrieg unter den Nachbarn in der Hartlgasse vor. Dort hat sich der österreichische Spießbürger eingenistet, lauter gehässige, bösartige Menschen, deren einziges Vergnügen darin besteht, die kleinen Schwächen und Vorlieben ihrer Mitmenschen auszuspähen.

Heinz Hölscher (Kamera) hat deprimierende Bilder aus dem Wiener Hinterhof eingefangen. Es wird gesoffen und gehurt, die Zeit vor dem Fernseher totgeschlagen, jegliche Lebensfreude ist aus den Gesichtern verschwunden, übrig bleiben nur zynische Fratzen, die einem Bilderbuch des Malers Manfred Deix entsprungen scheinen. Jedem von ihnen ist ein Mord zuzutrauen, wenn sie im Suff ihre Feigheit überwinden. Fast könnte man Mitleid haben, wenn sie in ihren Wohnzimmern mit den wuchtigen Möbeln sitzen, eine Flasche Bier in der Hand, eine Flasche Korn auf dem Tisch, und grellgemusterte Tapeten anstarren. Wie ein Schmähtandler singt Georg Danzer wienerisch schmalzig dazu: »Das kann doch nicht alles g'wesen sein! Oder sollte ich vielleicht zu leben vergess'n ham?«

Hartlgasse 16a ist die erste von sieben Folgen der Dauerserie Kottan ermittelt, die zwischen 1976 und 1983 vom Österreichischen Rundfunk produziert wurde. In den ersten beiden Krimis spielt Peter Vogel die Rolle des sturen Beamten Adolf Kottan, eines unsympathischen, launischen, kleinlichen Fieslings, der nach oben buckelt und nach unten tritt. Sein Kollege Schrammel (C.A. Tichy) versucht sich auch ab und zu in fremdenfeindlichen oder chauvinistischen Sprüchen, kommt jedoch gegen das Großmaul Kottan nicht an. Kottans Gegenspieler auf dem Kommissariat ist Schremser (Walter Davy), ein einbeiniger Kommissar kurz vor dem Ruhestand. Schremser ist es dann auch, der den Mord in der Hartlgasse 16a aufklärt, Kottan und Schrammel müssen alle Jugoslawen, die sie bis dahin verhaftet haben, wieder laufen lassen.

Im Herbst 1977 übernahm Fritz Buchrieser die Rolle des Kottan. Damit einher ging eine Veränderung der Hauptfigur: Komissar Kottan wurde etwas sympathischer und hatte weniger Vorurteile. Buchrieser verhalf der Serie zu ungeahntem Erfolg. 1980 kapitulierte aber auch er vor der Kultfigur Kottan und demissionierte. Der dritte Kottan, Buchriesers Nachfolger Lukas Resetarits konnte die Popularität der Serie nicht halten. Werner

Kottan ermittelt: Hartlgasse 16a und sechs weitere Folgen von heute bis zum 30. April im fsk-Kino, Wiener Straße 20.