AUSPOLNISCHERSICHT
: Entweder frisch gepreßt oder Walesa

■ Auf Staatsbesuch in Berlin

Immer noch hat er das Flair des Frischgepreßten nicht verloren, der große Arbeiterführer, Nobelpreisträger, unser aller Präsident. Fünf Minuten hatte er nur für die Berliner Polen gehabt, hatte die für ihn mit Pietät picobello glanzgeputzten Räume des Polnischen Kulturinstitutes kaum wahrgenommen, die Sonderausstellung der in Berlin lebenden polnischen Künstler außer Acht gelassen, den armen Verrückten, der sich durch die geschlossene Glastür Zugang verschaffte, verpaßt.

Doch in den fünf Minuten hat er es fertiggebracht, die Probleme der Berliner Polen zu fokussieren und zu zeigen, wie sehr Hilfe zur Selbsthilfe not tut: es gibt keine polnische Presse, kaum ernstzunehmende polnische Schulen, Atomisierung, Krieg aller gegen alle. Die Polen in Berlin sind schlecht organisiert. Sie hatten eine Stunde polnischsprachige Sendezeit im Radio am letzten Sonntag verloren. Das Radio war nicht schlecht und auch gerne gehört, jedoch hatte es keine Lobby gegeben, die sich gegen die Wegnahme der Sendezeit hätte wehren können.

Die polnische Hölle illustriert am schönsten ein Zwischenruf während des Treffens mit Walesa: jemand vom Radio klagt, daß die Sendung liquidiert wurde, darauf eine Stimme aus dem Saal: Weil sie linksradikal war!« Der schlagfertige Walesa hat nicht nur die Antwort auf diesen Zwischenruf, sondern sein ganzes Gespräch auf diesem gehirnlosen Zwischenruf aufgebaut: »Seht ihr, wie kann ich helfen, wenn ihr selbst euch nicht einig seid, ob das Radio (ob dies und das) richtig sei!«

Es geht nicht darum, ob das polnische Radio links, rechts oder mittelmäßig war, das tut nichts zur Sache, weil es nicht aus diesem Grund abrasiert wurde. Der wahre Grund ist viel einfacher und heißt wie immer Penunze, die man von 20 bis 21 Uhr sonntags mit der Doppeldiät- Würstchenwerbung verdienen kann. Und dagegen könnte durchaus der Präsident Walesa dem Präsidenten Weizsäcker ein Wörtchen sagen. »Paß auf Richard«, könnte er sagen, »bei uns, da haben wir auch solche Sendungen, da machen die Deutschen in Schlesien mit. Ihr müßt doch nicht auf 30 Kanälen 168 Stunden lang die ganze Woche über Würstchenwerbung machen, oder?«

Aber so kann er nur dem antilinksradikalen Arschloch recht geben. Lieber kein Radio als eins, das nicht meine Ansichten teilt. Typisch Polen. Piotr Olszowka