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Band verwirrender Breaks

■ Das erste von zwei Berlin-Konzerten mit »Half Japanese«: Die alte »Wunderband« auf der Treptower »Insel«

Es war ein seltsames Wochenende: die beste Stimmung und die nettesten Leute waren am Freitag abend in Neuruppin beim Auftritt der Ostberliner Band »The Fate« im »JFZ«, die beste Band allerdings spielte Samstag nacht auf der »Insel«. Half Japanese, die alte »Wunderband« ('Spex‘) die seit zehn Jahren ungefähr und irgendwo zwischen Jonathan Richman und Daniel Johnston, zwischen den Yardbirds und den Virgin Prunes, auf der Intensitäts- und ehrlich-amerikanischen Authentikerschiene für ein besseres Leben kämpft.

Vor einem Jahr war Jad Fair noch ganz allein nur mit seinem Schlagzeuger gekommen; diesmal hatte er seine Band mitgebracht.

Es war so ähnlich wie damals: Wie im Ecstasy wurden an einem Stand »coole« Band-Gimmicks verkauft — Jad-Fair-Bubblegum, Barbiepuppen mit dem Gesicht des sympathischen Stars von nebenan, Platten natürlich, tolle T-Shirts und ein paar Daniel- Johnston-Homegrown-Tapes. Wie vor anderthalb Jahren erzählte jemand, daß es Daniel Johnston, dem ungekrönten Star herzzerreißender Duz-Musik, ziemlich schlecht ginge und er wieder in der Psychiatrie gelandet sei.

Doch während das letzte Jad-Fair- Konzert vor allem bescheiden dem nervenkranken Freund gewidmet war, besannen sich Jad Fair und seine Freunde diesmal auf Eigenes. Half Japanese sind schneller als die Ramones, Half Japanese sind die Meister verwirrender Breaks. Sie spielen mal Cowpunk, mal schleppend, verlieren sich in psychedelisch gegenläufigen Rhythmen, sie sind vor allem ironisch lächelnd wahrhaftig. Jeder Song ist wahr, doch Wahrheit ist nur ironisch zu kriegen. So leben sie befreiend und tragisch ihre zerbrochnen Träume und Jad Fair, der schlanke Rundbrillenträger, der immer so aussieht wie ein Philosophiestudent, wirft mit einem Dennoch und Trotzdem begeistert seinen Arm in die Höhe, wenn's um das Mädchen geht, das er liebt, denn das geht natürlich nicht und ist affig.

Nach jedem seiner Songs verabschiedet er sich mit einem »Thank you — good night«. Jad Fair spielt bis zum Ende; nach zwei Stunden sind drei der fünf Gitarrensaiten kaputt, also ersetzt er die Gitarre durch seine Stimme, die jimihendrixgitarrenmäßig durchs Megaphon brüllt, während der Bassist psychopharmakagestählt und geschickt sein Instrument malträtiert.

Als es nach dem Auftritt gegen halb drei dann trostlos leer wurde im Haus auf der Insel, schleppte der Organisator ein paar Matratzen, die mit Kinderzeichnungen hübsch verziert waren, aus dem Keller in den dritten Stock, am Rande redeten ein paar Leute über Daniel Johnston mit glühenden Wangen und Half Japanese wird noch einmal (am 13. April im Trash) spielen. Detlef Kuhlbrodt

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