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Verbände fürchten Lesben und Schwule

■ Gegen den schwulen Sportverein »Vorspiel« haben Sportverbände Vorurteile/ Das Kammergericht entscheidet in einer Berufungsverhandlung am 5. Mai über die Aufnahme in den Leichtathletikverband

Berlin. Einige Freuden des zünftigen Vereinssports werden Lesben und Schwulen noch immer verwehrt. Weil sich der Berliner Leichtathletikverband hartnäckig weigert, den schwulen Sportverein »Vorspiel« in seine Reihen aufzunehmen, dürfen seine Mitglieder an einigen Turnieren nicht teilnehmen und bleiben deshalb bei der Verteilung öffentlicher Gelder außen vor. Nachdem das Landgericht im September letzten Jahres die Haltung des Leichtathletikverbands für rechtens erklärte, zögern nun auch andere Dachverbände, lesbische und schwule Sportvereine aufzunehmen.

Mit dem Ziel, noch vor dem am 5. Mai angesetzten Berufungsprozeß Vorurteile bei Sportfunktionären auszuräumen, lud das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen am Mittwoch abend zu einer Gesprächsrunde ein. Neben dem »Vorspiel« und dem lesbischen Pendant »Seitenwechsel« nahmen Vertreter dreier Dachverbände daran teil. Wie erwartet, kniffen trotz Einladung der Leichtathletikverband, der Landessportbund und die Senats-Sportverwaltung.

Der Chef des Berliner Badminton-Verbands, Riedel, und der Vorsitzende des Berliner Fußballbunds, Schulz, äußerten Bedenken gegen die beantragte Aufnahme des schwulen Sportvereins. Angesichts des »provokativen Namens« befürchtete Riedel, daß »Vorspiel« seinen »sexualbezogenen Charakter in den Vordergrund stellen« könnte. Auch Schulz argwöhnte, daß Vorstandskollegen den Vereinsnamen als »nicht sportüblich« zurückweisen könnten. Den schwulen Sportlern gab er zu bedenken, daß »Fußballer gewöhnlich zu radikaleren Handlungen neigen«. Zum lesbischen Sportverein wollten sich beide Herren nicht äußern, da ihnen bislang kein Aufnahmewunsch vorgetragen worden sei.

»Bei Turnieren haben die Schwuchteln weder unter der Dusche rumgefummelt noch jemanden verführt«, trat der Präsident des Berliner Volleyballverbands, Hanns- Ekkehard Plöger, den Vorurteilen der Kollegen entgegen. Sein Verband habe »Vorspiel« schon 1988 aufgenommen, was zu »keinerlei Problemen« geführt habe. Den anderen Sportdachverbänden bescheinigte Plöger dagegen »erhebliche Berührungsängste«. Der Vorsitzende des Leichtathletikverbands sei eben »etwas verklemmt«.

»Der Name ist nur der Aufhänger, das eigentliche Thema ist die Angst vor Schwulen und Lesben«, meinte auch der Homobeamte Stefan Reiß. Dem hielt Schulz entgegen, daß der »bekanntermaßen sehr hohe Anteil der Lesben in Frauenfußballvereinen« noch zu keinerlei Problemen geführt habe. Unterdessen verteidigte »Vorspiel« seinen Namen als emanzipatorischen Akt: »Wir denken nicht daran, uns als Schwule länger zu verstecken«, sagte Vorstandssportler Andreas Voß. Ganz pragmatisch argumentierte Elke Lentz von »Seitenwechsel«: »Lesben und Schwule müssen durch den Namen wissen, wo sie untereinander Sport treiben können.«

Während der Berliner Fußballbund die Aufnahme von »Vorspiel« noch »weiter prüfen« möchte und der Badminton-Verband seine Entscheidung vom Ausgang des Berufungsprozesses abhängig machen will, zeigte sich der Regierende Bürgermeister dem schwulen Sportverein gegenüber weitaus weniger befangen. 1991 hatte Eberhard Diepgen mit einem »herzigen Jahr« zum fünften Vereinsgeburtstag gratuliert. Micha Schulze

Die Verhandlung Vorspiel gegen Leichtathletikverband findet am 5. Mai um 10 Uhr vor dem Kammergericht statt, Elßholzstraße 30-32, Tiergarten, Raum 360.

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