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Vermummte töteten Rechtsradikalen

■ Gerhard Kaindl, Mitglied der rechtsextremen »Liga für Volk und Heimat«, von unbekannten Tätern in einem China-Lokal erstochen/ Sein Parteifreund Thorsten Thaler wurde schwer verletzt/ Sonderkommission fahndet

Neukölln. Samstag nacht erstachen unbekannte Täter ein Mitglied der rechtsextremen »Deutschen Liga für Volk und Heimat« und verletzten ein weiteres Mitglied der Partei schwer. Die Tat ereignete sich kurz nach Mitternacht in einem China-Restaurant am Kottbusser Damm/Ecke Sanderstraße. Nach Angaben der Polizei stürmten sechs bis acht teilweise vermummte Personen in das Lokal und griffen ohne Vorwarnung eine Gruppe von Gästen an. Der 47jährige Landesschriftführer der »Liga«, Gerhard Kaindl, wurde mit einem Messerstich in den Rücken getötet und das Landesvorstandsmitglied Thorsten Thaler schwer verwundet. Von den Tätern fehlte gestern noch jede Spur. Eine 20köpfige Sonderkommission des Staatsschutzes ermittelt. Die Polizei vermutet, daß es sich bei den Tätern um 20 bis 25jährige »Türken oder Araber« handele.

Zusammen mit den Opfern am Tisch gesessen hatten die Bundesvorsitzende der »Liga für Volk und Heimat«, Gabriele Hartung, und der ehemalige »Rep«-Landesvorsitzende Carsten Pagel. Die Polizei geht davon aus, daß es die Täter gezielt auf diese Gruppe abgesehen hatten. So soll es im Lokal zunächst zu einem lauten Wortwechsel mit einem Gast gekommen sei, der die Gruppe als »Republikaner« erkannt habe. Dieser Gast, der wie ein Süd- oder Osteuropäer ausgesehen habe, soll eine halbe Stunde später zusammen mit mehreren vermummten Personen in das Lokal zurückgekehrt sein. Der Wirt des China-Restaurants soll zuvor das Wort »Faschismus« gehört haben.

Der getötete Gerhard Kaindl und der Verletzte Thorsten Thaler waren früher ebenso wie Carsten Pagel Mitglieder der Reps. Thaler war im Februar 1989 von der Jungen Union, wo er stellvertretender Landesvorsitzender war, zu den Reps übergetreten. Seine Begründung: »Die sträfliche Vernachlässigung des konservativen Elements« habe der Berliner CDU »irreparablen Schaden zugefügt«. Im Oktober vergangenen Jahres waren Thaler und die Funktionäre des rechten Rep-Mehrheitsflügels in die »Deutsche Liga für Volk und Heimat« abgewandert — ein ultrarechtes Sammelbecken, in dem sich auch Teile der NPD, DVU und die »Deutsche Allianz« wiederfinden. Die Partei stand gestern in Baden-Württemberg zum ersten Mal zur Wahl. Auch Carsten Pagel ist inzwischen bei den Reps ausgetreten, aber bislang noch nicht Mitlied der rechtsextremen Liga.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky bezeichnete den Anschlag gestern als politisch motivierte Tat. Damit sei die Annahme wiederlegt, daß Gewalt nur von Rechtsradikalen ausgehe. Auch die »linke Terrorszene und militante Ausländergruppen«, so Landowsky, seien nach wie vor aktiv. Der Bundesvorsitzende der »Liga für Volk und Heimat«, Neubauer, erklärte: »Deutsche werden mitten in Deutschland wie Schlachtvieh abgestochen.« Der innenpolitische Sprecher des Bündnis 90/Grüne, Wieland, verurteilte die Tat mit den Worten: »Gewalt darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, egal von wem sie ausgeht.« Kaindls Tod müsse zum Anlaß genommen werden, auf eine Entwaffnung aller Gruppierungen in der Stadt hinzuwirken. plu

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