: TATORT WORT Von Mathias Bröckers
Woher er nur kommen mag, der „fatale Hang kabarettistischer Kunstgewerbler, ihre schwerkritische Beschweidwisser-Attitüde stets und in möglichst ungeschlachte Wortspiele zu überführen? Sich z.B. „Die Stichlinge“, „Die Reizzwecken“ oder „Die Kabarettiche“ zu nennen und den Darbietungen ebenso vollprogrammatische Titel — „Lacht auf, Verdummte dieser Erde“ oder „In-Sandsetzungsmaßnahmen“— zu verleihen?“, fragte der Humorkritiker Hans Mentz, bat die Leserinnen und Leser von 'Titanic‘ um „lach-und sachdienliche Hinweise“ zur Erstellung eines „möglichst vollständigen Kompendiums der irdisch-kabarettistischen Wortspielhölle“ und wurde mit Beweisstücken vom Tatort Wort überschüttet. Da spielt das Duo „Narrkose“ Beim Clown erwischt, eine Gruppe „Creme frech“ Die Spottschau, das Kabarett „Widerha(r)ken“ die Programme Akzeptanz auf dem Vulkan, Kabarette sich wer kann, Tabula phrasa und Der letzte lacht das Licht aus, das „statt-theater fassungslos“ gibt Das Röcheln der Mona Lisa, die Gruppe Die unsägliche Seichtigkeit des Scheins. Was steckt hinter dieser Worstpielneurotik, die uns Gruppen namens „Maul und Clownseuche“ und Programme wie Humanismousse au cocolat beschert? Hans Mentz: „Vom Wortspiel abhängig sind vor allem: Mitglieder freier Kleinkunstgruppen, Alternative, überflüssige Medien und (ohnehin überflüssige — Achtung, Achtung! Den ersten Teil des folgenden Worts bitte englisch intonieren:) Ware-Betexter. Weil sie sich alle bemerkbar machen müssen, ohne allzuviel Neues zu melden noch überhaupt etwas zu sagen haben, rekurrieren sie auf konkurrenzloses, weil zauberisch vorbegriffliches Geplapper... Als sozusagen subalternes Pendant machtoffizieller Floskelschwerstverbrechen ist das Wortspiel eine waschechte Ersatzhandlung und bringt Freude, indem es immerhin ein kurzes Stück Kreativität, ein kurzes Eingedenken in all der eigenen Ohnmacht resp. Blödheit freisetzt... Da wird besinnungslos wie beifallheischend all den Impulsen nachgefaßt, die sich aus semantischen und gar nur phonetischen Feldern ergeben: Das Wortspiel als Humor der dummen Kerle?“ Wo mittlerweile schon ein Joghurt-Konzern für seine Plastikbecher „müllernde Umstände“ fordert, könnte die Antwort nur „Ja, Ja, Ja“ lauten, allein: Wie Dumme und Schlaue dieselben Worte gebrauchen, nur eben anders, benutzen sie auch dieselbe Technik, mit diesen Worten zu spielen — nur eben anders. Und zum Humor der schlauesten Kerlchen gehört, nicht nur auch, sondern vor allem, ganz besonders und über alle Maßen, das Wortspiel. Von James Joystick bis abwärts zu Hans-Dieter, der sich dieses Wortspielmißbrauchs schuldig machte (weshalb die Hüsch-Legalisierung weiter in Frage gestellt bleiben muß). Im Ernst: Das Wortspiel ist mehr als so etwas wie eine Stenographie des Humors, es überbrückt als einzigartige Technologie in Lichtgeschwindigkeit semantische Dimensionen, die im Universum des Aneinanderreihens kleiner Mundgeräusche — der Sprache — weit auseinanderliegen. Daß sich auch Idioten dieser Technik bedienen — geschenkt. Seit Lao-Tse wissen wir, daß die Wahrheit, über die wir mit unseren linearen, seriellen Mundgeräuschen sprechen/denken können, nicht das Wahre ist — der holographische Kalauer allerdings kommt der eigentlichen Wahrheit schon ein bedeutendes Stück näher.
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