: Perus Präsident läßt putschen
■ Fujimori löst das Parlament auf, setzt die Verfassung außer Kraft und läßt in Lima Soldaten aufmarschieren/ Führende Politiker unter Hausarrest/ Militärspitze stellt sich hinter den Präsidenten
Lima (afp/taz) — Nach 20 Monaten Amtszeit und ständigen Auseinandersetzungen mit den Organen der Legislative und der Justiz hat der peruanische Präsident Alberto Fujimori am Sonntag abend (Ortszeit) überraschend das Parlament für aufgelöst erklärt und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Zugleich kündigte er Notstandsmaßnahmen zur Überwindung der Krise und der Terrorismusbekämpfung an. Seit 1980 wird das Regime in Lima vom maoistisch orientierten „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) bekämpft. Teile des andinen Hochlandes sind bereits unter der Kontrolle der Guerilla, die in letzter Zeit immer häufiger auch in der Hauptstadt Lima zuschlug.
Die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe, Marine und Nationaler Polizei stellten sich in einer gemeinsamen Erklärung hinter den Präsidenten. Kurz nach der Ankündigung Fujimoris besetzten Soldaten das Parlamentsgebäude. Mehrere führende Politiker, unter ihnen die Vorsitzenden von Senat und Abgeordnetenkammer, Felipe Osterling und Roberto Ramirez del Villar, sowie der Generalsekretär der sozialdemokratischen APRA-Partei, Alan Garcia, von 1985 bis 1990 peruanischer Präsident, wurden unter Hausarrest gestellt. Der stellvertretende Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Cesar Barrera, ein Führer der Lehrergewerkschaft, der für die Vereinigte Linke (IU) im Parlament sitzt, und der Abgeordnete Fernando Olivera von der Sittlichen Unabhängigen Front (FIM) wurden festgenommen. Osterling von der konservativen Christlichen Volkspartei (PPC), der von Soldaten daran gehindert wurde, sich ins Parlament zu begeben, sprach von einem „Militärputsch“. Schon vor der Ansprache Fujimoris hatten Panzer vor allen strategisch wichtigen Punkten Limas Stellung bezogen. Das Zentrum der Hauptstadt wurde von Militärs abgesperrt.
Soldaten in Kampfuniformen drangen in die Redaktionsräume der in Lima erscheinenden Zeitungen ein. Der Rundfunksender Antena Uno wurde vom Militär geschlossen. Auch vor dem von Garcia bewohnten Haus zogen Truppen auf. Olivera sagte in einem vom Polizeikommissariat aus geführten Telefongespräch, er sei bei dem Versuch, das Parlamentsgebäude zu betreten, mit Gewehrkolben geschlagen worden. Der Kommandant der Militärpatrouille habe ihn angespuckt, beschimpft und gesagt, die Abgeordneten taugten zu nichts.
Fujimori begründete die Notstandsmaßnahmen mit der Notwendigkeit, gegen „Chaos und Korruption“ vorzugehen. Er kündigte die Bildung einer „Regierung des Notstands und des nationalen Wiederaufbaus“ sowie eine Verfassungsreform an. Diese solle von „renommierten Juristen“ ausgearbeitet und anschließend in einem Volksentscheid zur Wahl gestellt werden. In der Zwischenzeit, so Fujimori, werde die Regierung mit Hilfe von Verordnungen regieren. Fujimoris rechtsliberale Partei „Cambio 90“ (Wechsel 90), die sich erst zu den Wahlen 1990 gegründet hatte, verfügt seit seiner Amtsübernahme im Juli 1990 über keine Mehrheit im Parlament.
Sprecher der politischen Parteien Perus bezeichneten den Coup Fujimoris als verfassungswidrig. Die peruanische Verfassung erlaubt dem Präsidenten, die Abgeordnetenkammer aufzulösen, in keinem Fall jedoch beide Häuser des Parlaments. Die Lage in Lima war am Montag zunächst ruhig, aber gespannt. Vertreter der Opposition riefen die Bevölkerung zum Widerstand und zur Verteidigung der Demokratie auf.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen