VILLAGE VOICE
: Stille Melancholie und freundliche Sehnsüchte, raumfüllend

■ Exil-Australier in Berlin, die Soundsovielte: Once upon a Time wachsen mit ihrer neuen Langspielplatte »In The Blink Of an Eye« über das Kiez-Format hinaus

Noch vor einem Jahr spielten Once upon a Time in Kiez-Clubs, deren enge Wände sie mit ihrem gewaltigen Sound zu sprengen drohten. Wieviele Kubikmeter die vierköpfige Band tatsächlich braucht, demonstrierte sie jüngst vor dreihundert Leuten bei ihrem Support für die Swans. Das Huxley's muß es schon sein. Mindestens.

Platz haben Once upon a time nach der Veröffentlichung ihrer zweiten Platte noch nötiger als zuvor. Wie es unter in Berlin lebenden Australiern üblich ist, pflegen auch sie den Blues. Die Verwandtschaft mit Nick Cave und Crime and the City Solution können sie nicht verleugnen. Die Band trat bereits mit allen Mitgliedern dieses Stammes auf, und In the Blink of an Eye, die neue Platte, wurde von Bad-Seeds-Mitglied Mick Harvey produziert. Mittlerweile hat sich der Sänger Bruno Adams ein wenig von Caves Inszenierung der unverbrüchlichen Einsamkeit entfernt, allerdings nur, um sich der romanschreibenden Überfigur von der anderen Seite wieder zu nähern: Die Songs von Adams haben sich ebenfalls zu epischer Breite ausgedehnt. Trotzdem erzählen die Songs auf In the Blink of an Eye kaum Geschichten, sondern zeichnen Bilder von Zuständen, wie sie schon Aphrodites Child ausgemalt haben könnten.

Das gängige Einsamkeits-Geplänkel genügt Once upon a time nicht mehr. Statt mal ein schleppendes Schlagzeug hier, einen Mundharmonikaseufzer da einzusetzen, steigern sie die Dramatik ihrer Stücke von stiller Melancholie zu verwirrendem Bombast. In diesem Gemenge dominiert das Keyboard von Chris Russell, der äußerst wählerisch die Zitate aus der Psychedelic- Kiste zieht und sich auch nicht vor den Kunstgriffen des Jazz scheut.

Was dabei herauskommt, ist alles andere als eingängig. In the Blink of an Eye muß mindestens ein dutzend Mal gehört werden, nicht zuletzt, weil die wenig geglückte Abmischung den Gesang von Bruno Adams fast seiner Abgeklärtheit beraubt. Das wäre schlimm gewesen, denn gerade darin unterschieden sich Once upon a Time von Stammesgenossen wie Hugo Race, dessen Highway-Romantik sich zwar wohlgefällig ins Ohr schmeichelt, sich aber ebenso schnell als bloße Requisitensammlung erweist. Once upon a Time kommen ohne die Klischees von verlassenen Mädchen, von Schießgewehren in West Virginia und so weiter aus. — Die Wölfe lassen sie trotzdem heulen. Shotgun Hole Galaxy beklagt mit dem ganzen Jammer, der aus einer Gitarre herauszuholen ist, die Bedeutung von to lose everything. Doch als ob es besorgt um den armen Hörer wäre, flicht das Keyboard einige wenige tröstende Töne ein, läßt hinter dem irdischen Elend eine bessere psychedelische Welt erstehen, bis auch Adams darin einstimmt, daß all die Tränen weggeweint werden können. »You cried your last tears away« — alles läßt sich irgendwie aushalten.

Mit diesem mild-freundlichen Zug haben Once upon a Time all die Burschen weit hinter sich gelassen, die in ihren Stücken immer nur Straßen hinunterwandern und doch nicht ans Ziel gelangen. »There's something that is really fine«, beschließt Adams mit gesenkter Stimme das letzte Stück auf In the Blink of an Eye, und die Band holt zu einem rauschenden Finale aus, das jeden Kiez-Club zum Bersten brächte. Claudia Wahjudi

Once upon a Time: In The Blink Of an Eye. WSFA LP/CD 117 — EFA 02917-09/26.