Ex-Stasi-Leute spionieren für Russen

Berlin (taz) — Wegen des Verdachts der Spionage für den KGB-Nachfolger in Rußland hat der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vergangene Woche Haftbefehl gegen zwei ehemalige Stasi-Mitarbeiter und eine von ihnen geführte „Quelle“ in der Berliner Außenstelle der US-Botschaft erlassen.

Der zuletzt im Rang eines Oberstleutnants der Stasi tätige 56jährige Lothar Ziemer soll 1990 nach der Wende und nach der Auflösung der Staatssicherheit seinen MfS-Kollegen Karl-Heinz Michalek (43) veranlaßt haben, von ihm früher geführte und im Zuge der Stasi-Auflösung „abgeschaltete“ Quellen wieder zu reaktivieren und für den russischen Geheimdienst einzusetzen.

Die „Quelle“, ein 45jähriger Angestellter aus Berlin, lieferte den Angaben der Bundesanwaltschaft zufolge von 1978 bis zur MfS-Auflösung der Abteilung XI (Aufklärung der USA und ihrer Streitkräfte) der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) Informationen und Dokumente aus seinem Arbeitsbereich, der Verwaltungsabteilung der US- Mission in West-Berlin. Nach seiner Reaktivierung soll der Mann nach 1990 dann Berichte aus seiner neuen Arbeitsstelle, der Außenstelle der US-Botschaft in Berlin, beschafft und „an den sowjetischen (inzwischen russischen) Nachrichtendienst“ geliefert haben. Bei den vier- bis sechswöchentlichen Treffs habe der Angestellte jeweils ein Entgelt von 500 DM erhalten.

Lothar Ziemer, der Mittelsmann zwischen dem Agentenführer Michalek und der russischen Nachfolgeorganisation des KGB, soll seinem früheren Mitarbeiter eine monatliche Vergütung von 2.400 DM und die notwendigen finanziellen Aufwendungen für dessen geheimdienstliche Tätigkeit ausgehändigt haben. Vor der Wende war Ziemer wie Michalek in der HVA-Abteilung XI beschäftigt. Ziemer war den Angaben zufolge von 1972 an hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi-Abteilung XI und mit „operativen Einsätzen gegen die US-Streitkräfte und US-Bürger in West-Berlin sowie gegen die US-Militärmission in Potsdam befaßt“.

Die Bundesanwaltschaft sieht in dem von ihr angestrengten Verfahren einen Beleg dafür, daß Ex-Stasi- Mitarbeiter ebenso wie von ihnen geführte Agenten von den Geheimdiensten der ehemaligen Sowjetunion angeworben und weitergeführt werden. Den Festnahmen seien „umfangreiche und mit besonderer Umsicht geführte Vorermittlungen“ des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz vorangegangen. wg