piwik no script img

Recht krause Gedankenbrühe

■ betr.: "Nationalismus - schwarz und weiß", taz vom 3.4.92

betr.: „Nationalismus — schwarz und weiß“ (Bodo Morshäusers Essay „Hauptsache Deutsch“) von Michael Rutschky, taz vom 3.4.92

Nach diesen Landtagswahlen wird mir besonders schlecht, wenn ich Beiträge à la Rutschky und Morshäuser lese, die Skinheads unbedingt als „Protestjugend“ einordnen wollen. Ideologiekritik gut und schön. Und es ist keine besonders neue soziologische Entdeckung, daß jede Bewegung, ob rechts oder links, leider häufig ein faschistisches Gewaltpotential in sich trägt. Die Frage ist, ob sie darüber hinaus etwas zu sagen hat oder ob sie nur prügelt.

Die Parole: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ richtete sich gegen Autoritäten und nicht gegen die sozial Schwächsten wie AusländerInnen und Flüchtlinge. Linke Jugendliche versuchen im Ausbruch der Gewalt sich ihrer Deformationen bewußt zu werden und sie zu reflektieren, statt nur dreinzuschlagen.

Doch es so darzustellen, als gäbe es keinen Unterschied zwischen einem Programm purer Gewaltverherrlichung verbunden mit einer rassistischen nationalen Abgrenzung auf der einen Seite und Forderungen zum Beispiel nach Internationalität, Gleichheit der Menschen und dem Ende aller Ausbeutung auf der anderen, die Inhalte zu ignorieren, als ob sie links wie rechts völlig unwesentlich und austauschbar wären, weil die Bewegungen in jedem Fall nur Ausdruck einer „Protestjugend“ sind, die „via Negation ihren Weg ins Leben findet“, diese Gleichsetzung bedeutet eine gefährliche Blauäugigkeit. Oder geschwätzige Spiegelfechterei. Soll die neue Rechte zur linken Brust genommen werden oder was? Beim Thema Deutschland kreist in manchen Köpfen recht krause Gedankenbrühe durcheinander. Wiebke Hartmann, Heidelberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen