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Arabische Liga kritisiert die Libyen-Sanktionen

Kairo (taz) — „Die Ausführung der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates gegen Libyen ist ungerecht und mißachtet die Charta der Vereinten Nationen.“ Mit diesen Worten beschloß das Siebenerkomitee der Arabischen Liga zur Lösung der Libyen-Affäre am Dienstag abend seine sechsstündige Sitzung in Kairo. Das Komitee, bestehend aus den Außenministern Ägyptens, Syriens, Tunesiens und Vertretern Libyens, Algeriens, Marokkos und Mauretaniens brachte sein Bedauern darüber zum Ausdruck, daß der Sicherheitsrat den Beschlüssen der Arabischen Liga nicht genügend Bedeutung beimesse. In einer Erklärung bezeichneten die arabischen Vertreter die libysche Position als entgegenkommend und flexibel für Initiativen zu einer friedlichen Lösung. Libyen habe bereits zu verstehen gegeben, daß es eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag akzeptieren werde. Die libyschen Behörden wehrten sich nicht prinzipiell dagegen, die beiden Männer auszuliefern, die verdächtigt werden, für das Attentat auf einen US-Jumbo im Jahr 1988 über Lockerbie verantwortlich zu sein.

Der Vorsitzende der Arabischen Liga, Esmat Abdel Meguid, wird die Ergebnisse des Treffens in Kairo an UN-Generalsekretär Ghali weiterleiten. Dabei soll auch ein neuer Vorschlag vorgelegt werden, den die libysche Führung am Dienstag abend der Arabischen Liga unterbreitete. Zu Einzelheiten dieses neuen Vorschlags wollte sich Meguid jedoch nicht äußern. Das Komitee soll sich nächsten Sonntag in der marokkanischen Hauptstadt Rabat zu einem erneuten Treffen zusammenfinden.

In Tripolis traf sich am Dienstag abend der UN-Sonderbeauftragte Wladimir Petrowski mit dem libyschen Staatschef Gaddafi. Petrowski wurde in Tripolis nicht gerade freundlich empfangen. Demonstranten, die ihren Unmut über die UN- Beschlüsse äußerten, blockierten seinen Weg vom Flughafen zum Hotel. Die Polizei setzte nach Angaben der libyschen Nachrichtenagentur Tränengas gegen die Demonstranten ein. Bei den Auseinandersetzungen soll ein Demonstrant getötet worden sein.

In der arabischen Welt rätselt man unterdessen über weitere mögliche Szenarien der Libyen-Äffäre. „Es geht nicht um die Auslieferung der beiden Männer — das eigentliche Ziel ist der Kopf Gaddafis“, lautet die am weitesten verbreitete Meinung. Der Westen werde es nicht bei der UN-Resolution 748 belassen. Die Resolution sieht ein Luftfahrt- und Waffenembargo sowie eine Reduzierung des libyschen Diplomatencorps vor, falls Libyen die beiden Männer nicht bis zum 15. April ausliefert.

Viele Araber fühlen sich durch das jetzige Vorgehen an das Jahr 1986 erinnert. Damals folgte der Verhängung eines US-Wirtschaftsembargos die Bombardierung der libyschen Städte Tripolis und Bengasi. Viele Araber schließen einen militärischen Schlag gegen Libyen nicht mehr aus. Die in Kairo erscheinende Wirtschaftsszeitung 'al-Alam al- Yaum‘ machte bereits vor wenigen Tagen Stimmung, als sie auf der Titelseite mit angeblich unmittelbar bevorstehenden Militärschlägen seitens der USA aufmachte. Allerdings verzichtete das Blatt darauf, seine Quellen anzugeben.

Seriöser zeigte sich die libanesische Zeitung 'al-Hayat‘. Sie zitierte am Dienstag einen arabischen Informanten auf „höchster Ebene“ in Tunis. Dieser geht davon aus, daß die USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Interesse an einer direkten Militäroperation haben. Vielmehr arbeite Washington daran, Gaddafis Regime durch ständigen Druck mit Hilfe des UN-Sicherheitsrats von innen her zu destabilisieren. Damit solle eine Putsch-Atmosphäre geschaffen werden, die Gaddafi zwingt, härtere Maßnahmen zu ergreifen, um an der Macht zu bleiben. Daneben versuche Washington direkt eine innerlibysche Opposition aufzubauen. Karim el-Gawhary

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