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Bluttest verunsichert Schwangere

■ Mediziner haben erhebliche Bedenken gegen den Einsatz der Triple-Diagnostik

Berlin (taz) — Vor vier Wochen hat sich Eva Schindele auf der Wissenschaftsseite kritisch mit Bluttests für das Down-Syndrom bei Ungeborenen (Mongolismus) auseinandergesetzt. Der sogenannte Triple-Test verunsichert nicht nur Schwangere und Frauenärzte, er ist ein gutes Geschäft mit der Angst von Frauen vor einem behinderten Kind. Inzwischen haben auch der Berufsverband für Medizinische Ethik e.V., die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. und die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin e.V. zur Anwendung der Triple-Diagnostik ein Moratorium verfaßt. Darin heißt es unter anderem:

1. Die der „Triple-Diagnostik“ zugrunde liegenden Daten sind retrospektiv erhoben worden und nicht durch prospektiv kontrollierte Studien belegt.

2. Die Fehlergrenze der Bestimmungsmethoden sind von Labor zu labor unterschiedlich und lassen eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse bisher nur eingeschränkt zu.

3. Die Abschätzung des bestehenden Risikos setzt eine genaue Bestimmung des Gestationsalters zum Zeitpunkt der Blutentnahme voraus (Ultraschall). Falsche und lückenhafte Angaben führen zu erheblichen Fehlbeurteilungen.

4. Eine umfassende Information der Schwangeren über das Wesen der Untersuchung sowie mögliche Konsequenzen im Rahmen einer individuellen Beratung ist zur Zeit nicht gewährleistet.

Es ist zu beobachten, daß die „Triple-Diagnostik“ breit und routinemäßig eingesetzt wird, ohne daß den Schwangeren die Methode der individuellen Risikomodifikation hinsichtlich kindlicher Chromosomenstörungen erklärt wird. Hierdurch werden in vielen Fällen Befunde unzutreffenderweise in Richtung einer dramatischen Risikoerhöhung interpretiert...

Aus den genannten Gründen schlagen die unterzeichnenden Fachgesellschaften und der Berufsverband ein Moratorium vor, innerhalb dessen eine „Triple-Diagnostik“ nur an einigen wenigen Zentren im Sinne von klinischer Forschung als prospektive kontrollierte wissenschaftliche Studie mit der Möglichkeit genetischer Beratung durchgeführt wird. Bereits vorhandene und vergleichbare Ergebnisse der kombinierten Diagnostik sollen gepoolt werden und ein exaktes Follow-up der Schwangerschaft erfolgen... (aus: 'Medizinische Genetik‘ 1/1992)

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