Exklusive Köpfe

■ Der diskrete Charme der aufgeklärten Elite: »exklusive Einkaufsstunden« bei Fnac

Eine weiße Markise ragt vom Eingang auf den Bürgersteig, sechs kleine Buchsbäumchen säumen den unauffälligen roten Teppich. In der Tür wird man mit französischem Akzent begrüßt. Drinnen servieren Ober des Hotel Kempinski Sekt und Lachsschnittchen — Fnac hat geladen, zu den ersten »Exklusiven Einkaufsstunden nur für Fnac- Mitglieder« seit seiner Eröffnung im Dezember. Die Atmosphäre ist eine Mischung aus Vernissage und Staatsempfang. Denn das 50 Meter vom Ku'Damm gelegene Fnac ist ja nicht einfach irgendein Geschäft, das Bücher und Schallplatten, Video- Kameras und Computer, Stereoanlagen und Fotoapparate verkauft — diesen schnöden Geld-Ware-Materialismus hat Fnac überwunden. Fnac präsentiert sich als kulturelles Ereignis der neuen Art.

Die Marketing-Analyse, die sich das in Frankreich seit langem erfolgreiche Unternehmen vor dem Deutschland-Start hatte anfertigen lassen, war eindeutig: Steigender Trend zum Hedonismus in allen gesellschaftlichen Milieus. Man will mehr genießen, man gönnt sich mehr. Gerade auch dort, wo die Einkommen hoch sind — und wo es dazugehört, seine Freizeit kultiviert und kreativ zu nutzen. Fnacs Werbung zielt auf genau die Leute, die — halten sie sich nun für liberal oder alternativ oder unpolitisch — ihren aufgeklärten Kopf sehr wichtig nehmen: »Fnac. Die Kopfbewegung«. Der diskrete Appell an das Elite-Bewußtsein bei denen, die den Begriff »Elite« selbstverständlich zurückweisen würden. Und dezent suggeriert Fnac seinen Gästen (Fnac hat Gäste, nicht Kunden): Sie haben es nicht nötig, sich nach der Arbeit noch ins Kaufgedränge zu stürzen! Beim CD-Kaufen die Tasche öffnen zu müssen, als ob Sie ein Ladendieb wären! Bei uns werden Sie behandelt, wie Sie es verdienen! Mit Sekt und Schnittchen von Kempinski eben. Savoir-vivre! Gerade wo dies eine Preisklasse über dem eigenen Lebensstandard liegt, läßt sich mit dieser kleinen Bestechung das Selbstwertgefühl um so williger schmeicheln. Fnac ist auch sozialer Aufstieg instant.

Über Geld redet man da nicht — man hat es. Aber man protzt nicht. Bloß für Kultur, da gibt man es gerne aus. So wie Fnac selbst es vormacht: Im Foyer eine Ausstellung der sozialkritischen USA-Bilder des großen französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson aus den Vierziger Jahren. »Die Rahmen der Fotogalerie sind übrigens vom Metallbildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender angefertigt worden«, wird das Publikum auf subtile Weise aufgewertet: Man zählt also zu denen, die das edle Detail zu schätzen wissen. Und im Souterrain: »Der Denker« von Rodin. Echt. »Der letzte autorisierte Abguß« der berühmten Skulptur — eine »Leihgabe des Musée Rodin«, wie gleich zwei Tafeln kundtun. Was Fnac dafür bezahlt haben mag...

Aber Rodin ist Kultur, bei Kultur fragt man nicht nach dem Preis! Und weil Fnac Kultur ist, weil Fnac auch jedes stinknormale TV-Gerät als Kulturgut anbietet, kommen bei Fnac auch solche kulturlosen Worte wie »D-Mark« oder »DM« nicht vor. Die Auspreisungen — vermeidbar sind sie ja noch nicht — sind nur Zahlen, fast wie Kennziffern: Prix 2989 FNAC.

Mit seinem ersten »Exklusiven Einkaufsabend« macht Fnac aus dem Erwerb von Waren endgültig eine niveauvolle Stehparty. Das Glas Chandon in der Hand lehnt man am Geländer, plaudert über den schrecklichen Wahlerfolg der Republikaner und die »affengeile, also wirklich affengeile« neue Videokamera von soundso, während man von oben auf den Hinterkopf des »Denkers« im Untergeschoß schaut. Warum Rodin seine übermenschlich große Figur zudem noch auf einen Sockel gesetzt haben mag, fragt sich aus dieser Perspektive niemand. Es interessiert auch nicht. »Der Denker«, das ist große Kultur; ein Originalabguß, das zählt.

Am Eingang wird derweil weiterhin bereitwillig aus der Sammlung der VISA- und Master-Cards die Fnac-Mitgliedskarte gezückt. Man schätzt die Exklusivität, warum auch immer. Aber: Man ist auch offen. Die zufällig an diesem Abend Gekommenen, ohne Mitgliedskarte, werden mit französischem Akzent freundlich an kleine Marmortischchen gebeten und von Fnac-Hostessen »über die Möglichkeiten der Mitgliedschaft informiert«. Und das schreckt die Leute nicht einmal ab. Die Seriösität von Cartier-Bressons Schwarzweißfotografien hinter sich und die Überzeugungskraft des gediegenen Ambientes und Kempinskis Lachsschnittchen vor sich, scheint es irgendwie eine Ehre zu sein, daß Fnac einem die Mitgliedschaft anbietet. Und auf dem Beitrittskärtchen: Natürlich Rodins »Denker«. Fehlt nur noch die Unterschrift. Voilá. Bert Hoffmann