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Saddams deutsche Giftgas-Söldner

■ UNO-Inspektionen bestätigen Ermittlungen der Darmstädter Justiz/ Giftgas in deutschen Anlagen produziert/ Prozeß gegen Verantwortliche von zehn deutschen Firmen beginnt am 27. April

Berlin (taz/dpa) — Inspekteure der Vereinten Nationen haben bei ihren Missionen im Irak von deutschen Firmen gebaute Anlagen zur Herstellung von Giftgas entdeckt. Dies berichtet der 'Spiegel‘ in seiner neuesten Ausgabe unter Berufung auf interne UNO-Dokumente. Die von dem Hamburger Magazin jetzt „enthüllten“ Entdeckungen der UNO-Inspekteure können allerdings kaum überraschen: Sie bestätigen, was nach mehrjährigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt und einer Sonderkommission „SoKo Irak“ des Kölner Zollkriminalinstituts (Aktenzeichen 21 JS 35285/87) ohnehin für erwiesen gilt.

Am 27. April beginnt vor dem Landgericht Darmstadt der Strafprozeß gegen 22 Beschuldigte von gleich zehn deutschen Firmen. Ihnen werden Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgeworfen. Hauptbeschuldigte sind Vertreter der Firmen Karl Kolb und Pilot Plant aus dem hessischen Dreieich und der Firma Water Ingineering Trading (WET) aus Hamburg. Eine der Firmen habe eine Inhalationskammer zum Testen von Giftgas samt Versuchshunden geliefert, berichtet der 'Spiegel‘ übereinstimmend mit früheren Veröffentlichungen in anderen Publikationen. Insgesamt machten die UNO-Inspekteure 19 Lieferanten und Unterlieferanten aus, davon 17 aus der Bundesrepublik. Bisher soll die Bundesregierung die UNO-Berichte noch nicht an die Darmstädter Justiz weitergeleitet haben.

Aus bislang unter Verschluß gehaltenen Unterlagen geht laut 'Spiegel‘ hervor, daß die Bundesregierung Mitte der 80er Jahre bereit gewesen sei, den deutschen Lieferanten der Anlagen eine Abfindung in Höhe von sechs Millionen Mark zu zahlen, falls diese das Exportgeschäft aufgeben. Auch dies ist nicht ganz neu. Damit wollte Bonn seinerzeit auf Druck der US-Regierung einen peinlichen Tatbestand umschiffen: Daß nämlich zahlreiche der strittigen Irak-Lieferungen nach der damaligen Gesetzeslage ganz legal waren. Der Kabinettsbeschluß soll auch im Darmstädter Prozeß zur Sprache kommen.

In einer der aus Deutschland gelieferten Anlagen, so vermutet der 'Spiegel‘, sei möglicherweise auch der Kampfstoff VX, ein modernes Nervengas, produziert worden. Das stimmt: Schon im Oktober letzten Jahres meldete der Chef der UNO- Spezialkommission, Rolf Ekeus, dem UNO-Sicherheitsrat in einem Zwischenbericht (Aktenzeichen S/23165), der der taz in Kopie vorliegt, daß seine Leute in einer der Kampfstoffanlagen auch VX-Proben sicherstellten. VX sei von den Irakis bis Kriegsausbruch allerdings nur im Labormaßstab hergestellt worden. Auch wurde bisher keine einsatzfähige VX-Munition gefunden. Insgesamt orteten die UNO- Suchtrupps, so der Ekeus-Report, im Irak bislang 45.755 Stück Giftgas- Munition (Artillerie-Geschosse und Raketen-Gefechtsköpfe), 78.675 für Giftgas geeignete, aber noch nicht gefüllte Geschosse, 355 Tonnen noch nicht abgefüllte chemische Kampfstoffe und 3.174 Tonnen Vorprodukte für die Giftgas-Synthese. Verglichen mit den Kampfgas-Vorräten der USA oder der ehemaligen UdSSR, schreibt Ekeus in seinem Report, seien diese Mengen zwar gering, für ein Entwicklungsland jedoch enorm groß. Jedenfalls liegen schon die gefundenen Mengen deutlich über den offiziellen Angaben der irakischen Regierung. Thosch

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