: Die Klappe? Welche Klappe?
■ Die Schwulengruppe „Rosa Nordschau“ dreht Video-Magazine / Fernziele: Offener Kanal und Glotze
hierhin den Männerkopf
Hier sehen sie von links nach rechts: Andreas Gräf, nebenbei Video-Magaziner; den offiziellen Nordschau-Vorspann und nebenan ein wahrhaftiges Live-InterviewFotos: Heller/Archiv
„Entschuldigen Sie, wo ist denn hier die Klappe?“ fragt harmlos auf der Cebit-Messe ein Reporter vor laufender Fernseh-Kamera einige Anzugträger auf den Gängen. Die Klappe: Mythos und zugleich banale Begegnungstätte der Schwulenszenen, Pissoir und Treffpunkt, Kontakthof und möglicher Ort flüchtiger sexueller Begegnungen. „Die Klappe? Welche Klappe...??“
hierhin die „Rosa Nordschau“
Solche ironischen, spaßigen Szenen dreht eine Schwulengruppe für die „Rosa Nordschau“ (RN), das Video-Magazin aus Bremen. Naja, noch nicht ganz: Ein richtiges Fernseh-Magazin will die RN erst noch werden. Vor gut einem Jahr hatte Andreas Gräf, gelernter Elektrotechnik-Ingenieur, 29, die Idee, ein Magazin zu produzieren: möglichst „ohne die Diskriminierungs-Arie“, vielmehr
hierhin die beiden
Männer in der Wanne
„für selbstbewußtes Schwulsein“.
Die Präsentation der Magazine — sechs sind inzwischen fertiggestellt — weicht sehr und absichtlich vom Üblichen ab: Moderatorin Käthe raucht auf Sendung, kratzt sich nach Bedarf an und in der Nase, läßt nebenbei einen Osterhasen auf der Rückseite des Textblattes sehen, spricht ziemlich Klartext und manchmal „Scheiße“ und ist überhaupt familiär: „Uli befragte Gerd Schwandner (Kultur-Staatsrat; d.R.) zu den ABM-Streichungen“. Dieser „Uli“ stellt am Schluß dann die Gewissensfrage: „Haben Sie selbst homosexuelle Erfahrungen?“ Folgt ein wunderbarer Zwischenschnitt: Auf Schwandners Regal liegt eine Banane, die beiläufig eingeblendet wird. Seine Antwort wird hier nicht verraten.
Fernsehgucken ist nicht schwer, Fernsehmachen aber sehr! Andreas Gräf aus Erfahrung: „Erstmal muß man die Kamera festhalten, daß sie nicht wackelt, und richtig scharf stellen.“ Das allein ist schon schwierig bei dem schweren Profi-Equipment, das die RN aus ausgemusterten, aber eben Profi-Beständen von Radio Bremen übernommen hat. Dann das kleine Einmaleins: Filme ich von unten hoch, von oben runter? Will ich Ehrfurcht erzeugen oder lächeln machen? Wie müssen ein Reporter, ein Studiogast und die Kamera angeordnet sein, damit der Befragte richtig im Bild ist?
Ach, und dann der Schnitt! Filme sind ja keine Hörfunk-Tonbänder! Schneidet man einen gestotterten oder langweiligen Satz raus, guckt die Sprecherin plötzlich ruckartig zur anderen Seite, wenn man nicht vorher klugerweise Aschenbecher, Kaffeetassen, Eheringe für Zwischenschnitte aufgenommen hat.
Noch ist manchmal der Ton schlecht, starren Moderatoren auf die Tischplatte. Aber: es wird. Ideen gibt es genug: witzige Themen wie das Tunten-Rennen in Kiel und ernste wie denSkin- Überfall auf ein Schwulen- Fest. Bislang gibt es sechs schwule Männer und zwei Lesben, die fest mitmachen, weitere Interessierte sind willkommen.
Im Berliner Jugendnetzwerk „Lambda“ ist die Rosa Nordschau Mitglied, ein Antrag auf Förderung des geplanten „Schwul-Lesbischen Fernsehens in Norddeutschland“ läuft gerade. Vielleicht kommt dann der geplante norddeutsche Verbund zustande, an dem sich andere Städte mit Beiträgen reihum beteiligen: eine Art fester Programm-Anbieter für öffentlich- rechtliche oder private Sendeplätze. Wenn das alles klappen würde, wäre der langerwartete Offene Kanal Fernsehen vielleicht sogar nur eine Durchgangsstation. S.P.
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