: Gauck-Behörde für Überprüfung in Bremen
■ Claus Dittbrenner (SPD): „Gauck fahrlässig“ / Hermann Kuhn (Grüne): „Jetzt anfangen“
Die Diskussion um die Überprüfung von Bürgerschaftsabgeordneten auf Stasi-Mitarbeit hat neuen Zündstoff erhalten. In ihrer Antwort an den Bürgerschaftspräsidenten Dieter Klink stellt sich die Gauck-Behörde hinter den Antrag der Grünen-Abgeordneten Dieter Mützelburg und Hermann Kuhn auf Regelüberprüfung: „Eine Mitteilung aufgrund des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ist auch in bezug auf parlamentarische Mandatsträger der alten Bundesländer durchaus sinnvoll, da der Wohnsitz von Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes keine Rolle gespielt hatte“, heißt es in dem Brief (s. Faksimile).
Der Antrag der Grünen liegt der Koalition ohnehin schwer im Magen. Insbesondere in der SPD- Fraktion gibt es nach wie vor heftigen Widerstand. Der Partei- Vorsitzende Isola spricht von „Vorverurteilung“, der Fraktionsvorsitzende Dittbrenner meinte im Vorfeld der Bürgerschaftsdebatte, der Grünen-Vorschlag sei ein „Voyeursantrag“.
In der Februar-Sitzung der Bürgerschaft wurde der Antrag nach hitziger Debatte an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß verwiesen. Dort wurde der Bürgerschaftspräsident beauftragt, weitere Informationen einzuholen.
Die Antwort aus Berlin läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Staatssicherheit sei selbstverständlich auch im Westen aktiv gewesen. Die Unterlagen der Hauptverwaltung Aufklärung, aus der heraus die Mitarbeiter im Westen geführt worden waren, seien zwar vernichtet, „gleichwohl ist meine Behörde aber aufgrund des ihr zur Verfügung stehenden Materials in der Lage, Feststellungen über eine hauptamtliche Tätigkeit (die nicht mit einer Agententätigkeit für die HVA identisch ist) bzw. eine inoffizielle Zusammenarbeit zu treffen“, heißt es weiter.
Für Dieter Klink ist die Sache dennoch nicht klar. „Ich kann mir vorstellen, daß die Hessen und Niedersachsen diese Informationen auch eingeholt haben. Mich interessiert, warum die einer Überprüfung nicht oder noch nicht zugestimmt haben“, sagte er gestern auf Nachfrage zur taz. Die Abgeordneten des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses hätten einer Überprüfung zugestimmt, doch mit dem Bremer Antrag habe das nichts zu tun. „Da sind ja Ossis und Wessis gemeinsam“, meinte Klink. Mitte Mai finde eine Konferenz der Landtagspräsidenten statt, auf der die Frage der Stasiüberprüfung auf bremische Initiative hin auf der Tagesordnung stehe. Dann will Klink dem Bürgerschaftsausschuß berichten. Klink: „Endgültig wird der Antrag wohl in der Plenarsitzung im Juni behandelt“, mehr als ein halbes Jahr nach Antragstellung.
„Der Brief von der Gauck-Be-
hörde ändert nichts an unserer Position“, meinte gestern der SPD- Fraktionsvorsitzende Claus Dittbrenner. Die SPD sei nach wie vor gegen die Regelüberprüfung. „Sie sehen doch im Fall Stolpe, wie fahrlässig Gauck mit den Unterlagen umgeht.“ Was sich in den vergangenen Monaten abgespielt habe, sei eine beispiellose Medienkampagne gewesen. „Dieser ungeheure Sensationsjournalismus hat doch erst nachgelassen, nachdem es zwei Selbstmorde gegeben hat.“ Es gebe auch gar keinen Grund zur Eile, meinte Dittbrenner. Die Akten würden ohnehin aufgearbeitet. Warum die SPD gegen die Überprüfung sei, wenn sowieso alles herauskäme, dazu wollte sich Dittbrenner freilich nicht äußern. „Fragen Sie doch mal die anderen Landtage ab, warum die das nicht machen.“
Hermann Kuhn, grüner Abgeordneter und einer der Initiatoren des Antrages, sieht sich durch die Stellungnahme der Gauck-Behörde bestätigt. „Der Brief ist in jeder Hinsicht eindeutig. Ich kann nicht verstehen, wieso immer wieder die Frage nach den anderen Landtagen kommt“, meinte Kuhn. „Es gibt eine Tendenz sich hinter dem 'Wieso sollen wir als kleinstes Bundesland anfangen?' zu verstecken. Entweder Bremen ist selbständig oder nicht.“ Es gebe keinen Grund, noch länger abzuwarten. „Bremen kann im Westen den Anfang machen.“ J.G.
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