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■ ...bei Kassiopeia: Leuchte, Ladenstern!

Es gibt in Bremen einen Laden, da trifft dich kontrolliert der Schlag. Das heißt, du glaubst, er träfe. Denn sagenhaft umfunkeln dich plötzlich Edelsteine, und sansibarische Aromen kräuseln dir die Nase. Und nicht weit sein können 40 Räuber und ein Ali Baba. Und kann das wahr sein? Nein!

Ja: alles ist wahr und wirklich da! Wir befinden uns bei „Kassiopeia“, einem der letzten veritablen „Kolonialwaren-Läden“: ein Tee-, Kaffee- und Edelstein-Handelshaus, geographisch angesiedelt in der Bismarckstraße in einer alten Villa. Ali Baba heißt eigentlich Herr John, ist aber auch ein Abenteuertyp. Von der Tresen-Brücke aus dirigiert er sein Laden-Schiff durch die Fahrwasser einer sprudelnden Kundschaft; außerdem ist er Herr über drei Verkaufsdamen, die er duldet wie schwerwiegende Leichtmatrosen.

Unter Deck reisen wir hingerissen mit, holzumtäfelt und von Stapelwaren bewacht: Die schauen ein bißchen auf uns herab, daß wir nicht wissen, ob wir sie kaufen dürfen oder sogar sollen. Weil es doch eine Lücke ins Sortiment risse und eventuell bekümmertes Holz hinterließe. Durch drei Zimmer und einen Flur ziehen sich also Tee, Kaffee und Schokolade in eingewickelten Päckchen; und unter den Edelsteinen sind selbst die stumpfen glänzender Laune, das machen die beleuchteten Vitrinen.

Wenn die fünf Sterne des Himmelswagens Kassiopeia einer leuchten, dann kommt sie als Gesprächspartnerin vom Chef in Betracht. Und sein Redefluß ist so lustig wie Kakao und so beruhigend wie Kaffee; es ist, als wäre er gespickt mit Geschichten, die das Leben im Laden schrieb. Der ihm anhängt wie ein geliebter Fluch. Diese abertausend Steine — die sind ja nicht einfach so gekommen, die sind ja zusammengetragen worden! In 38 Jahren! Meine Güte, natürlich lohnt sich das nicht! Speziell wegen der Kunden: stehen da und rum und stoßen sich die Augen ab, aber auch Kassiopeia braucht cash! Nicht nur bargeldlose Bewunderung.

Schon hat man überlegt, Eintritt zu verlangen, aber, findet Herr John — „U-Boot-Fahrer, Kaufmann, Dompteur“ — dann hätte man ja ein Recht auf Führung — also das dann doch wieder nicht! Der Dompteur bezieht sich auf die Kunden-Dressur, obwohl Herrn John Tiger zuzutrauen wären. Wenn ein Kunde nach einer halben Stunde Verkaufsgespräch über Türkise — versöhnt Ehepaare und hilft den Drüsen — noch mal einen Bergkristall anfassen will, dann fängt er an zu brüllen. Was vermutlich auch daran liegt, daß er Stier ist. Zum Beweis wird er probehalber etwas rot und läßt seine bliblablauen Augen blutunterlaufen, huch! Bei zuviel Streß erinnern ihn seine Damen an den Turmalin gegen cholerische Anwandlungen, den steckt er dann auch noch weg zu seinen Steinen in der Hosentasche.

Im Grunde ist Herr John ein milder Stier. Kleptomanischen SchwachhauserInnen berechnet er klammheimlich den geklauten Stein auf das sichtbar Gekaufte. Glaubt er an die Kraft der Steine? Naja, glauben. Auf seine Kopfschmerzen-Stirne hat er mal einen Bergkristall gelegt, und, was soll er mir sagen, die Schmerzen waren weg. Und einmal kam eine mürrische Mutter mit mürrischem Kind und kaufte einen Stein. Und ein paar Tage später kamen die beiden quietschvergnügt wieder. Das freut den Herrn John fast gegen seinen Willen. Eigentlich sind die Deutschen ja Edelstein-Analphabeten.

Daß wir hier so reden, ist ja eigentlich geschäftsschädigend! Denn kann man vom Reden leben? Nein! Schnell kaufe ich einen Stein, daß er sieht, daß ich ihn verstehe. Da schenkt er mir noch einen dazu. Und ist darüber nicht ärmer geworden.

Claudia Kohlhase