KOMMENTAR: Keine Sonderrolle
■ Die Tarifverhandlungen werden von Bonn geführt
Wer zu nah an der Leinwand steht, so sagt ein russisches Sprichwort, erkennt das Bild nicht mehr. Dem Senat scheint der Blick für die Koordinaten, in denen sich seine Politik bewegt, verlorengegangen zu sein. Bei den Auseinandersetzungen über die Osttarife wird der Senat erneut von Bonn aus belehrt, welche Kräfte die Politik des Landes eigentlich lenken.
Mit ihrer Forderung nach einer achtzigprozentigen Angleichung der Ostgehälter hat die Landesregierung ein gutes Bild bei den Beschäftigten abgegeben — realistisch war es nicht. Eberhard Diepgen weiß, daß die Milliarde, die er vollmundig für die Tariferhöhung bereithält, zu Dreiviertel von Bonn finanziert wird. Dort hält man den Daumen drauf und mokiert sich über die Sonderrolle, die die Hauptstadt Berlin spielen will. Der Bund verweist die Stadt darauf, was sie im Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes ist: ein Habenichts. Der Senat mag das nicht gerne hören, doch befindet er sich mit diesem Zustand in guter Gesellschaft. Verfügen doch die fünf neuen Bundesländer über gleich wenig eigene Ressourcen. Statt sich in seiner Politik von diesen immer wieder abzugrenzen und, wie schon zu seligen Westberliner Zeiten, auf einen Sonderstatus (und die dazugehörigen Subventionen) zu pochen, sollte er diese Koordinaten akzeptieren. Berlin ist nicht mehr und nicht weniger als ein Ostbundesland. In diesem Rahmen bestimmt sich die zukünftige Rolle der Stadt. Dieter Rulff
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