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Hoppeln für die Reichen

■ Die Galopprennbahn in Hoppegarten soll bald wieder im Glanz der alten Tage erstrahlen/ Am Führring heben sich Klassenunterschiede zwischen gut- und weniger gutsituierten Zockern auf

Vorbei sind die Zeiten, da Hoppegarten Volkseigentum war und klassenlos dem Pferdesport gefrönt wurde. Nun hat alles wieder seine Ordnung. In der Ehrenloge der Haupttribüne stolzieren wieder sonnengebräunte Damen und präsentieren ihre ausladenden Hüte, während bleiche Jünglinge und ältere Herren mit Siegelringen und goldenen Uhren fachmännisch die Rennen kommentieren. In den Pausen reichen Kellner Häppchen und servieren dazu gekühlten Champagner in glänzenden Kübeln, und selbst das Bier wird aus dünnhäutigen Gläsern geschlürft.

Derweil huschen nervöse Fotografen umher, machen den Damen Komplimente und verewigen das Standestreffen für das familiäre Fotoalbum. Wer hier am Wettschalter oberhalb der Loge den Mindesteinsatz von 2.50 Mark einzahlt, wird milde belächelt, wo doch die blauen Hunderter oder braunen Fünfhunderter standesgemäß sind.

Bescheidener geht es nebenan zu. Dort trifft sich das gemeine Volk, das sich einen Sitzplatz leisten kann. Bier wird hier in Plastikbechern gereicht, das dicke Sandwich muß vor dem Verzehr erst aus der Verpackungsfolie befreit werden. An den runden Stehtischen greift manch einer zu Korn oder Schnaps, um sich frohgemut dem nächsten Wettschein zu widmen. Und ganz unten, rund um die drei Tribünen, tummeln sich die Massen, verköstigen sich an den Würstchen- und Dönerständen und verbreiten Volksfestatmosphäre. Nur am »Führring«, wo die Pferde vor jedem Rennen im Schritt vorgeführt und in Augenschein genommen werden, kommen sie alle zusammen, die Pferdeliebhaber und die Zocker, die Betuchten und weniger Betuchten. Dann sind — für diesen einen, kurzen Augenblick — die Klassenunterschiede vergessen, und alle beherrscht nur eine Frage: Welches Pferd und welcher Jockey vermehrt meinen Einsatz?

Nein, über mangelnden Besuch kann sich Hoppegarten, Deutschlands wohl schönste Galopprennbahn, nicht beklagen. 30.000 waren es am vergangenen Wochenende zur diesjährigen Saisoneröffnung. Eine stolze Zahl, die die Veranstalter hoffen läßt. Denn sie wollen an die alte Tradition anschließen, die bis zum Kriegsanfang in Hoppegarten herrschte, als sich hier das reiche Berliner Bürgertum traf. Der geschäftsführende Direktor der Rennbahn, Artur Boehlke, setzt vor allem auf die begüterten Westdeutschen. Sie sollen den Wettumsatz kräftig erhöhen. Im letzten Jahr konnte Hoppegarten sieben Millionen Umsatz verzeichnen, in diesem Jahr will Boehlke eine zusätzliche Million draufsatteln. Um vor allem die »Touristen-Zocker« aus Westdeutschland anzulocken, wurden für die diesjährige Saison mit dem »BMW-Europachampionat« (700.000 Mark) sowie dem »Prix Zino Davidoff« (520.000 Mark) zwei hochdotierte Rennen angesetzt.

Doch trotz westlicher Sponsoren — die Holsten-Brauerei unterschrieb einen Zehnjahresvertrag — ist in Hoppegarten der Charme jüngster DDR-Tage noch spürbar. So müssen in der Ehrenloge die Gläser in großen Plastikkübeln gewaschen werden — ein neues Netz für die Wasserversorgung ist seit langem überfällig. An der dritten Tribüne wurden jüngst das Dach und die Fensterfront für weit über eine halbe Million Mark renoviert. Dringend gebraucht werden auch neue Pferdeboxen, denn schon jetzt stehen wieder 354 Vollblüter — vor der Wende waren es rund 400 — in den Rennställen.

Doch der Weg hin zu einer Nobelbahn ist derzeit blockiert. Das Land Brandenburg erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen den Verkauf des 430 Hektar großen Geländes durch die Treuhand an den Berliner Union-Klub. Dieser war schon einmal — von 1874 bis 1945 — Eigentümer von Hoppegarten gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände allerdings von den Sowjets enteignet und dem Land Brandenburg übertragen. Was Brandenburg zudem wurmt, ist der äußerst niedrige Verkaufspreis: 17,5 Millionen. Die Konditionen sind mehr als günstig: Zunächst soll der Verein nur 2,5 Millionen zahlen, den Rest dann später durch den Verkauf von rund zehn Hektar des Geländes der Treuhand zurückzahlen. Zusätzlich verpflichtete die Treuhand den Klub, Investitionen in Höhe von 30 Millionen Mark zu tätigen. Die Summe könnte durchaus aufgebracht werden, wie Insider glauben. Schließlich sind die rund 200 Mitglieder des Union- Klubs zumeist Bankiers, wie etwa der Vorsitzende Heinz Pferdmenges, der Teilhaber des Kölner Privatbankhauses Oppenheim ist.

Ungeachtet aller Querelen will der Union-Klub sein 125jähriges Jubiläum am 21. Juni auf dem Gelände von Hoppegarten begehen. Für die Damen mit den großen Hüten und die Herren mit den goldenen Armbändern wird es wohl wieder einmal ein dankbares Datum sein, an dem so recht nach Lust und Laune geprotzt werden darf. Severin Weiland

Nächstes Rennen: Ostermontag, 20. April, 13 Uhr. Zu erreichen mit der S- Bahn Richtung Strausberg, Station Hoppegarten.

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