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»Bürgerbeauftragte in Sachen Stasi«

■ Interview mit Bärbel Bohley über das Amt der Landesstasibeauftragten/ Vor allem müssen Kriterien für den Umgang mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern gefunden werden

Noch vor der Sommerpause wird das Abgeordnetenhaus einen oder eine »LandesbeauftragteN für die Aufarbeitung der Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR« wählen. Bereits die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung hatte die Einrichtung eines solchen Amtes beabsichtigt. Mitte März wurde es auf Antrag von CDU und SPD beschlossen. Kurze Zeit später schlug der CDU- Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky überraschend Bärbel Bohley für den Posten vor (siehe taz vom 13.4.). Dieter Rulff fragte die Bürgerrechtlerin nach ihrer Motivation, ein solches Amt zu übernehmen.

taz: Ist die CDU bereits an Sie herangetreten?

Bohley: Ich bin von der CDU gefragt worden, wer von der Bürgerbewegung ein solches Amt übernehmen würde. Wir haben das bei uns diskutiert und mich dann vorgeschlagen.

Sind Sie denn bereit, das Amt zu übernehmen?

Ja, ich bin bereit, den Posten für fünf Jahre zu übernehmen, wenn er wirklich unabhängig ist, das heißt, wenn ich nur dem Parlament gegenüber verpflichtet bin...

.... so steht es zumindest im Antrag der Parteien...

Das halte ich auch für eine notwendige Voraussetzung für die Arbeit.

Zu den Aufgaben der Landesstasibeauftragten werden die Sicherung, Nutzung und Aufarbeitung der nichtpersonenbezogenen Unterlagen der Berliner Dienststellen der Stasi gehören. Wie wollen Sie eine solche Aufarbeitung leisten?

Meine wichtigste Funktion würde ich darin sehen, Bürgerbeauftragte in Sachen Stasi zu sein. Ich würde mich als Ansprechpartnerin sowohl der Leute sehen, die bei der Stasi waren, als auch derjenigen, die unter der Stasi gelitten haben.

Was könnten Leute, die bei der Stasi waren, von Ihnen erwarten?

Die Bürgerbewegung hat immer versucht, Kriterien dafür zu entwickeln, wie mit diesen Leuten umgegangen werden kann. Und wir haben immer gesagt, daß man diese Leute nicht ausgrenzen kann. Es kommt vielmehr darauf an, Kriterien für die Entscheidung zu entwickeln, wie mit der Stasi umgegangen werden soll, wer von den ehemaligen Mitarbeitern nun in die zweite Reihe treten muß.

Das können die sein, die Entscheidungsfunktionen hatten wie auch diejenigen, die als inoffizielle Mitarbeiter eine bestimmte Verantwortung trugen, sei es als Lehrer, Juristen, Ärzte oder politische Mandatsträger.

Bei allen anderen, die in niederen Positionen tätig waren, wäre zu erwägen, daß man nicht jeden aus dem öffentlichen Dienst verbannen kann. In diesem Bereich ist es bereits zu Fehlentscheidungen gekommen.

Fordern Sie, als Landesbeauftragte bei Personalentscheidungen hinzugezogen zu werden?

Es sollte keine wesentlichen Entscheidungen geben...

... ohne Sie?

... zumindestens nicht, ohne daß ich informiert werde. Ich möchte immer das Gespräch führen können.

Ist das Interesse an einer Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit in der Bevölkerung noch vorhanden oder macht sich Überdruß bei diesem Thema breit?

Solange manche Leute überhaupt noch nichts gesagt haben, ist dieses Thema nicht erledigt. Solange Leute, die gesessen haben, die aus ihrem Beruf geschmissen wurden, Angst haben, ihre Leiden öffentlich zu machen, ist das Thema nicht abgehakt. Das Ende der Debatte darf nicht von denen bestimmt werden, die sich im Grunde als Opportunisten verhalten haben.

Die SPD ist von der Kandidatin Bohley nicht begeistert. Sie wirft Ihnen Ihr Engagement im Fall Stolpe vor.

Dazu muß ich sagen: Wer heute der Wahrheit, die ja noch immer lebt, nicht ins Gesicht guckt, der ist nicht in der Lage, die wirklichen Probleme anzugehen.

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