: Quatsch mit Sauce
Immer so leicht wie möglich: NDR-Talkshow, Freitag, 22Uhr ■ Von Heide Soltau
Domenica verkauft sich immer. Hamburgs ehrbar gewordene Dirne mit der atemberaubenden Oberweite, die nun einem anderen Heiligen dient — sie hat ihren Arbeitsplatz von St. Pauli nach St. Georg verlegt und wird vom Senat bezahlt, um drogenabhängigen jungen Frauen beizustehen — kommt schon seit Jahren gut. Wenn dann noch Bilder aus dem Milieu eingeblendet werden und die Schöne in Gänze zu bewundern ist, kann jede Talk-Show-Redaktion sicher sein, daß das Publikum erstmal bei der Stange bleibt.
Bei der Stange. Ein Selbstgänger also, dieser Aufmacher am Karfreitagabend. Zumal die Kamera wiederholt auf Domenicas Ausschnitt verweilte. Dazu nebenbei die gute Tat: die Versteigerung eines Gemäldes der Künstlerin Sigrid Wilke, mit dessen Erlös drogenabhängige Mädchen, die sich prostituieren, unterstützt werden sollen. „Wir wollen das Publikum nicht die Schwere der Themen fühlen lassen“, erläutert Redakteur Josef W. Westhof das Konzept der NDR-Talk-Show. „Wir gehören zur Hauptabteilung Unterhaltung.“ Deshalb will man „so leicht wie möglich sein“.
Fürwahr, das ist es, das NDR- Machwerk. Federleicht. Man serviert eine immer gleich schmeckende, seichte Sauce mit ein bißchen Sex und Schmiere, einer Portion Hokuspokus, Menschlichem aus dem Rentenfonds, Launigem aus dem Show-Business, Streitbarem aus den Niederungen der Politik und, als Feigenblatt, damit uns nicht schlecht wird, kommt eine Prise Geist dazu. Aber wirklich nur eine Prise. Deshalb dürfen Autoren und Wissenschaftler auch mittalken. Was die armen Moderatoren oft so ins Schwitzen bringt, daß sie Mühe haben, den Geist zum Schweigen zu bringen. Denn Talken in Hamburg heißt, den Moderatoren die passenden Stichworte zu liefern.
Ob Horst-Eberhard Richter und die Soziologin Marianne Krüll, die über die Familie Mann geforscht hat, beide waren vor vier Wochen zu Gast, oder diesmal der ehemalige Hör- und Fernsehjournalist Hans Wilhelm Vahlefeld, solche Leute haben keine Chance. Vahlefeld, der ein Buch über Japan geschrieben hat und über kulturelle Differenzen zwischen Deutschland und Japan sprechen sollte, kam kaum dazu, seine Gedanken zu entwicklen. Das peinliche Geplapper von Moderatorin Alida Gundlach, die etwas über „den wackelnden Kapitalismus“ verlauten ließ und damit das Gespräch der zum zweiten Mal talkenden Kollegin Dagmar Reim mit Vahlefeld unterbrach, war der Auftakt für die anderen Gäste, ihre Vorurteile über Japan loszuwerden. Am Ende waren alle so klug wie zuvor. Bis auf Alida Gundlach, die immerhin gelernt hatte, daß Madame Butterfly nicht, wie sie angenommen hatte, in China, sondern tatsächlich im verhaßten Japan spielt.
Als ein Höhepunkt der Sendung geplant war das Gespräch zwischen der Hildesheimer Kommunalpolitikerin Annelore Ressel und Senior- Moderator Wolf Schneider über Gewalt gegen Frauen. Als Streit inszeniert — für den Gegenpart eingeladen und für das Schlüpfrige zuständig war Gabriel Laub, der Schmierenkomödiant vom Dienst —, endete es mit einem Fiasko für die sendungsbewußte Frau. Ihr als Provokation gemeinter Vorschlag — Ausgehverbot für Männer, solange die Gemeinden nichts zum Schutz von Frauen auf nächtlichen Straßen tun — stieß in der Talk-Runde nur auf Häme. Und als Wolf Schneider die Politikerin dann noch mit süffisantem Grinsen aufforderte, zu erklären, was sie unter Anmache verstehe, gab er sie gänzlich der Lächerlichkeit preis. Sie konnte es nicht und fiel, wie vorgesehen, immer mehr in die Rolle der geifernden Feministin, was sie endgültig ins Abseits brachte. Ihrer Predigt hörte niemand mehr zu, und der Punkt ging an Wolf Schneider. Ein billiger Sieg.
Das ist es, was diese Talk-Show so unangenehm macht: Die Haltung der moderierenden alten Männer — 'Geo‘-Chef Hermann Schreiber, sonst seit 13 Jahren dabei, war diesmal verhindert —, die sich hier kurz vor der Rente noch einmal produzieren. Daß es auch Opas gibt, die noch können, zeigen Alfred Biolek und Erich Böhme, aber diese Gruner- und-Jahr-Riege, Selbstdarsteller Schneider ist Leiter der Journalistenschule, ist einfach verbraucht. Auch wenn er, Schneider, am vergangenen Freitag ein schönes Gespräch mit Hilde Krahl geführt hat, beweist das nicht das Gegenteil. Alten Damen gegenüber ist man gern galant.
Wahrscheinlich können nur Komiker diese Veranstaltung überstehen. Blödelstar Didi Hallervorden gab eine hervorragende Kostprobe seiner Kunst und entpuppte sich als intelligenter Kommentator des Abends. Die Schauspielerin Katharina Thalbach schien keine Lust gehabt zu haben, etwas zu dieser seichten Talk-Sauce beizusteuern. Sie blieb einsilbig angesichts der Komplimente, mit denen ihr Moderatorin Dagmar Reim den Mund stopfte. Vielleicht als Ausgleich für das eitle Gehabe ihrer beiden Moderatorenkollegen? Halten wir uns statt dessen an den Komiker. Dieter Hallervorden, Didi heißt wirklich so, spielt in seinem neuen Film erstmals eine ernste Rolle. Der Titel des Streifens: Alles Lüge.
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