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An Ostern wird über Opfer gepredigt

■ Finanzminister Waigel und Bischof Lehmann fordern Opferbereitschaft für die neuen Länder

Bonn/Mainz (ap) — Bundesfinanzminister Theo Waigel hat eine „knallharte Finanzpolitik“ und ein „Moratorium der Bundesausgaben bis 1995“ angekündigt. Dies bedeute Einschränkungen für die Bürger, sagte er der 'Welt am Sonntag‘. Wenn der Westen zwei Jahre auf den Zuwachs des Bruttosozialprodukts verzichte, würde dies die notwendigen 140 Milliarden Mark Transferleistungen für die neuen Bundesländer erbringen. „Da dieser zweijährige Verzicht automatisch in die Zukunft fortwirkt, reicht das auch aus“, erklärte der Finanzminister.

„Es wird keine neuen Leistungen geben, wenn nicht an anderer Stelle entsprechend eingespart wird“, sagte Waigel. Es gehe nicht um „sozialen Abbau, sondern um sozialen Umbau“. Kritik übte er an der Ausgabenpolitik von Ländern und Kommunen: „Es kann nicht so weitergehen, daß Länder und Städte ihre Ausgaben ständig um sechs Prozent steigern, als wäre nichts geschehen.“ Weitere Bonner Hilfe für die GUS- Staaten lehnte der Finanzminister strikt ab: „Meine Taschen sind zugenäht.“

Zur Kritik des FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff an seiner Amtsführung sagte Waigel: „Ich lasse mir von niemandem Vorwürfe machen, der bis 1982 eine sehr liederliche Finanzpolitik mitgetragen hat.“ Das „Schizophrene an der FDP“ sei, „daß die FDP-Minister und -Ministerinnen bei mir die Hand weit aufhalten und nicht die geringsten Sparvorschläge machen“.

FDP-Generalsekretär Uwe Lühr sagte in Bonn, Lambsdorff habe schon im Juli 1991 eine Analyse der Haushalts- und Finanzlage vorgelegt und seitdem immer wieder eine konsequentere Sparpolitik gefordert. Damals habe Waigel die FDP-Bilanz ähnlich empört wie heute als Angriff auf seine Person bewertet. Inzwischen aber habe er sich der Analyse der FDP genähert. Viele Sparvorschläge Waigels wie der eines zweijährigen Zuwachsverzichts im Westen beruhten auf Ideen der FDP.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, hat zu Opfern für die deutsche Vereinigung aufgerufen. Im Mainzer Dom erkärte der Bischof am Ostersonntag einem vorab verbreiteten Predigttext zufolge: „Wir dürfen nicht so tun, als ob die Vereinigung nichts kostet.“ Teilen sei auch nicht einfach ein geschicktes Verteilen, bei der eine Gruppe etwas günstiger wegkomme. Auch Europa fordere von den Deutschen seinen Tribut.

Schließlich könnten große Weltprobleme wie die Klimabedrohung und der Nord-Süd-Konflikt nur bewältigt werden, wenn nicht ständig Vogel-Strauß-Politik betrieben werde, meinte Lehmann. Die Menschen sollten sich „hart den Tatsachen stellen und daraus nüchterne Konsequenzen ziehen“.

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