piwik no script img

Aufregender Einkauf

■ »Paule geht einkaufen« — Ein Handpuppenspiel im Fliegenden Theater am Südstern

Über den grauen Häuserfassaden eines typischen Berliner Stadtviertels bricht der Tag an. Ein Radfahrer aus Pappe tritt kräftig in die Pedale. Mit bedächtigen Besenstrichen beginnt ein Straßenkehrer seine Arbeit. Zum ersten Mal in seinem Leben soll der fünfjährige Paule allein einkaufen gehen, ein Abenteuer, auf das er sich mit Begeisterung einläßt. Bewaffnet mit seinem Holzschwert, zieht er mutig in die Welt oder, um es genauer zu sagen: zum Kaufladen »Matzke«.

Viele Gefahren sind auf diesem Weg zu bestehen, denn all die sonst reglosen Gegenstände der Straße beginnen sich nun, da Paule mit ihnen allein ist, zu bewegen. Ein paar wildgewordene Verkehrszylinder versperren den Weg, der Hund vom Werbeplakat schwenkt seinen Hut und preist lauthals Süßigkeiten an.

Paule geht einkaufen ist ein wunderschönes Puppenspiel des »Fliegenden Theaters« für Kinder von vier bis acht Jahren. Das Stück kommt ohne viel Sprache, dafür mit zahlreichen Bildern und charakteristischen Geräuschen aus. Es ist bezaubernd, wie jedes Ding gleichermaßen anfängt zu leben. Die Hauptfigur des Paule besteht nicht nur aus der Handpuppe, sondern auch aus dem Schauspieler dahinter. Im Spiel werden Mensch und Puppe eins, und auch die geteilten Blicke auf die Mimik des Spielers und die Gesten der Figur machen diese Verschmelzung nicht rückgängig. Zweidimensionale Autos aus Karton fletschen bedrohlich ihre Zähne und furzen ungehörig durch die Gegend. Einem großen Frosch nicht unähnlich,klappert eine Mülltonne mit dem Deckel und streckt ihre lange rote Zunge nach herumliegendem Unrat aus.

Bei all den Aufregungen ist es kein Wunder, daß Paule, endlich im Kaufladen angekommen, durcheinanderbringt, was und wieviel von allem er kaufen soll. Erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause, bringt er acht Stück Butter, eine Packung kaputter Eier und jede Menge Geschichten von den Ereignissen des Tages mit.

Mit sehr einfachen Materialien wurde ein buntes und originelles Bühnenbild geschaffen. Graue Mietskasernen bewegen sich mittels einer an Rollen befestigten Leinwand am Zuschauer vorbei, kleine, echte Details machen die einzelnen Szenen farbig und überzeugend, Altberliner Lieder auf dem Akkordeon gespielt, erinnern an Leierkastenklänge. Und steigern die urbane Atmosphäre.

Paule geht einkaufen ist eine phantasievolle Aufführung, die Erwachsene ebenswo wie Kinder fasziniert. Irene Brie

Nächste Vorstellungen: 22./23. April, um 10 Uhr, im Fliegenden Theater, Körtestraße 17.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen